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Politik: Thailands Chef-Meteorologe verliert seinen Posten Die Warnungen

Rechtzeitige Warnungen hätten in den Feriengebieten und anderswo Tausende retten können

Berlin - Warnungen vor dem Tsunami wären möglich gewesen, weltweit. Doch sie unterblieben in vielen Ländern. Als erstes Land hat Thailand am Dienstag eine Konsequenz aus den fatalen Versäumnissen gezogen: Der Chef-Meteorologe des Landes wurde abgesetzt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, soll Suparerk Tansriratanawong jetzt allerdings beim Aufbau eines Frühwarnsystems mitarbeiten.

Thailands Premier Thaksin Shinawatra kündigte zudem an, eine Untersuchungskommission einzusetzen, die ergründen soll, warum vor dem Todes-Tsunami keine Warnung ausgegeben wurde. Auch in den USA sind Anhörungen dazu geplant, denn auch in der Frühwarnstelle „National Oceanic and Atmospheric Administration“ auf Hawaii müssen sich Mitarbeiter mit dem Vorwurf auseinander setzen, möglicherweise eine rechtzeitige Warnung unterlassen zu haben.

In der Frühwarnbehörde auf Hawaii wurde offensichtlich die Gefahr vernachlässigt, die von dem Beben für die Anrainer am Indischen Ozean ausging. Zwar registrierten die Forscher um 1 Uhr 58 mitteleuropäischer Zeit (MEZ) die Größe des Bebens, doch da für den pazifischen Raum keine Gefahr vorhergesehen wurde, unterblieb auch eine Information an die später betroffenen Länder. Erst etwa eine Stunde nach dem Beben, als die Wellen schon Sumatra sowie die Nikobaren und Andamanen verwüstet hatten, schlugen die Seismologen auf Hawaii Alarm – und das möglicherweise auch nur, weil ein Geophysiker in Colorado das Beben ebenfalls verzeichnet hatte und eine Warnung ans Weiße Haus wie auch nach Hawaii schickte. Der Alarm aus Hawaii wiederum erreichte nur Australien und Indonesien – nicht die anderen Länder, wo eventuell noch Tausende hätten gerettet werden können.

In Thailand, berichtet die englischsprachige Zeitung „The Nation“ in Bangkok, wussten Metereologen dennoch von der Warnung aus Hawaii. Nur unterließen sie es, Rettungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Die Meteorologen befürchteten, so „The Nation“, ein Fehlalarm könnte den Tourismus schädigen.

In Indien wie in Sri Lanka hat es offenbar ähnliche Versäumnisse gegeben. Wie die „Los Angeles Times“ recherchierte, wurde auf den indischen Nikobaren ein Luftwaffenstützpunkt von der Welle überrollt. Trotzdem gelang es noch einem Funker, einen Notruf abzusetzen, der auf einem zivilen Flughafen in Madras empfangen wurde. Die indische Luftwaffe entsandte daraufhin Transportflugzeuge zur Unglücksstelle, die Warnung jedoch gab sie nicht weiter. Ebenfalls in Madras sah ein Seismologe die Beben-Ausschläge und leitete diese an seine Zentrale weiter. Und dort versickerte die Information offenbar. Auf Sri Lanka ging ein Meteorologe sogar auf die Internetseite des Erdbeben-Informationszentrums in Colorado, sah die Warnung – und reagierte nicht.

Gerettet haben sich offenbar viele Ureinwohner in Südasien etwa auf den Nikobaren und den Andamanen. Nach Expertenmeinung folgten diese einem „traditionellen Frühwarnsystem“. „Sie konnten das Zurückweichen des Meeres vor der ersten Flutwelle, das Schreien der Vögel und andere Naturphänomene als Warnung interpretieren“, sagte der Asienexperte der Gesellschaft für Bedrohte Völker, Ulrich Delius.

„Viele Menschenleben können bei einer Naturkatastrophe wie den Riesenwellen nach dem Sumatra-Erdbeben an Weihnachten 2004 gerettet werden, wenn ein Warnsystem richtig funktioniert“, meint Naturkatastrophen-Experte Peter Höppe, der bei der Münchener Rückversicherung die Abteilung „Georisikoforschung“ mit 22 Wissenschaftlern leitet. Und er denkt dabei nicht nur an ein Warnsystem für den Indischen Ozean, sondern auch für andere Meere wie den Atlantik oder das Mittelmeer. Denn ähnliche Riesenwellen hat es dort bereits gegeben – und sie werden wieder auftreten, wissen Katastrophenforscher wie Jochen Zschau vom Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam.

Da die Münchener Rückversicherung als Branchenprimus häufig den Hauptanteil der versicherten Schäden bei solchen Naturkatastrophen zahlt, würde sie auch den Aufbau von Frühwarnsystemen unterstützen. Wie diese Unterstützung genau aussehen könnte, hofft Peter Höppe nach der „World Conference on Desaster Reduction“ sagen zu können, die von den Vereinten Nationen vom 18. bis 22. Januar 2005 im japanischen Kobe veranstaltet wird.

Solche Systeme zu entwickeln, ist schwierig, GFZ-Katastrophenforscher Jochen Zschau aber hat das Know-how, um bei einer Entwicklung zu helfen. Verschiedene Zentren auf der ganzen Welt messen Erdbeben ohnehin, auch das GFZ hatte das Sumatrabeben bereits nach sieben Minuten ins Internet gestellt. Ein automatisches System könnte so gemessene Beben, die eventuell einen Tsunami auslösen könnten, an ein Warnzentrum für eine Weltregion weiterleiten. Die Warnzentren wiederum überprüfen mit einem automatischen Programm, ob tatsächlich eine Tsunami-Gefahr vorliegt und leiten notwendige Warnungen an die Katastrophenstäbe der betroffenen Länder weiter. Dort werden sofort weitere Maßnahmen ergriffen: So könnten zum Beispiel Sirenen oder Rundfunkdurchsagen die Menschen in den betroffenen Regionen warnen, erklärt Peter Höppe von der Münchener Rück. In Indien oder Sri Lanka wären dafür immerhin gut zwei Stunden Zeit gewesen.

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