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Thilo Bode, Foodwatch: "Auch billiges Essen muss sicher sein"

Thilo Bode, der Gründer und Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, über den Dioxin-Skandal, die Bundesregierung und die vom System gefangene Ilse Aigner.

Herr Bode, in Deutschland sind dioxinbelastete Eier und Fleisch in den Handel gekommen? Was taugt das Krisenmanagement der Bundesregierung?

Das Management ist schlecht. Aber wenn man nichts zu managen hat, dann muss das Management automatisch schlecht sein. Die Regierung will ja gar nichts ändern, das Verbraucherministerium ist schwach. Das gilt auch für die Minister. Sowohl Frau Künast als auch Herr Seehofer haben sich nicht an die Futtermittelindustrie herangetraut. Bei Frau Aigner ist das nicht anders. Die Industrie sitzt mit am Tisch und soll selbst Vorschläge erarbeiten. Das ist so, als ob man einen Autodieb auffordert, Vorschläge zu machen, wie man Autodiebstähle vermeiden kann.

Die Grünen fordern den Rücktritt von Ilse Aigner. Sie auch?
Nein. Das würde doch nur davon ablenken, was jetzt politisch zu tun ist. Frau Aigner ist eine Gefangene des Systems. Das Ministerium ist eine demokratische Missgeburt. Es nennt sich zwar Verbraucherministerium, aber in Wirklichkeit ist es ein Klientelministerium für die Ernährungswirtschaft und die Bauern. Um das zu ändern, bräuchte man ein eigenes Verbraucherschutzministerium. Oder man könnte die Verbraucherpolitik im Justizministerium ansiedeln. Aber nicht in einem Ministerium, das mit Bauern und der Ernährungsindustrie gemeinsame Sache macht – da prallen gegensätzliche Interessen unvereinbar aufeinander.

Kann man verhindern, dass Kriminelle Futtermittel panschen – etwa mit besseren Kontrollen?
In der Futtermittelindustrie geht es nicht um einige wenige schwarze Schafe mit hoher krimineller Energie. Das Futtermittelrecht lädt zum Missbrauch förmlich ein – und zwar flächendeckend. Es ist so, als ob man seinen Wagen in einer dunklen Seitenstraße mit laufendem Motor abstellt. Da ist es doch kein Wunder, wenn einer vorbeikommt und mit dem Auto wegfährt.

Ist die Panscherei üblich?
Ja. Stellen Sie sich vor, ein kleiner Mischfutterhersteller erhält von seinem Zulieferer eine Charge, die über den Grenzwerten liegt. Er kann das den Behörden melden, er kann die Charge aber auch untermischen und verdünnen, so dass das Mischfutter unter dem Grenzwert liegt. Was glauben Sie, was der Hersteller macht?

Jetzt fordern alle schärfere Kontrollen. Wird bald alles besser?
Man kann die Futtermittelhersteller gesetzlich verpflichten, jede Charge jeder Futtermittelzutat auf Dioxin zu testen und bei einer erhöhten Belastung zu entsorgen. Aber ein derartig gesetzlich vorgeschriebenes Kontrollregime kommt nur, wenn der Druck auf die Politik wächst. Allerdings hat bisher keine der politischen Parteien entsprechende Vorschläge gemacht, die Substanz haben. Selbst die Grünen wollen nicht an die Futtermittelindustrie heran, weil auch Ökobauern Futtermittelbauern sind. Wenn man Futtermittel sicherer macht, erhöht das die Kosten der Futtermittelproduktion. Die Hersteller werden dann versuchen, die Preise für Futtermittelgetreide zu drücken – zulasten der Landwirte.

Die Ernährungsindustrie lässt ihre Produkte testen, um das QS-Zeichen für Qualitätssicherung zu bekommen. Können sich Verbraucher auf dieses Siegel verlassen?

Nein, das QS-System wird von der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft selbst betrieben – die Branche kontrolliert sich hier also selbst, auf freiwilliger Basis und völlig unverbindlich. Ich habe nichts gegen betriebliche Eigenkontrollen, aber diese müssen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und verbindlich vorgeschrieben werden. Eine gesetzliche Pflicht für die Firmen, selbst jede Charge zu beproben und bei zu hohen Dioxinwerten zu entsorgen, würde den staatlichen Kontrolleuren die Arbeit erleichtern. Und bei einem solchen Gesetz bräuchten die Futtermittelhersteller schon eine Menge kriminelle Energie, um dagegen zu verstoßen.

Wie sehr würden solche Einzelkontrollen die Lebensmittel verteuern?

Man kann nicht die Sicherheit von Lebensmitteln gegen den Preis ausspielen. Auch billige Lebensmittel müssen sicher sein, sonst dürfen sie nicht verkauft werden. Abgesehen davon, würde der Preis im Laden kaum steigen.

Warum nicht?

Ein Kilo Schweinefleisch kostet in der Produktion 1,50 Euro. Futtermittel haben daran derzeit einen Anteil von einem Euro. Wenn verstärkte Kontrollen dazu führen, dass die Futtermittel umgerechnet um 20 Prozent, also 20 Cent, teurer werden, würde das Kilo Fleisch, das im Laden zwischen sieben und neun Euro kostet, sich nur um 20 Cent verteuern – das würden die Käufer kaum spüren.

Tragen Verbraucher, die billige Lebensmittel kaufen, eine Mitschuld daran, dass Masttiere qualvoll gehalten werden und schlechtes Futter bekommen? Muss man auf Bio umsteigen, um das zu verhindern?
Die Lebensmittelproduzenten kaufen ihre Zutaten da ein, wo es am billigsten ist. Wenn man will, dass Tiere anständig gehalten werden, kann man das nicht dem Wettbewerb überlassen, sondern man muss das gesetzlich vorschreiben. Man darf die Diskussion aber nicht auf dem Rücken der Verbraucher austragen und Leute brandmarken, wenn sie bei Aldi oder Lidl einkaufen. Dieser moralische Druck, der jetzt ausgeübt wird, ist nicht akzeptabel. Lebensmittel müssen sicher sein – unabhängig von ihrem Preis.

Thilo Bode ist Gründer und Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Mit ihm sprach Heike Jahberg.

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