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Thilo Sarrazin: "Beelzebub aus Berlin"

Thilo Sarrazin hat am Sonntag eine Laudatio bei der Verleihung einer Fastnachtsauszeichnung an den Musikkabarettisten Lars Reichow gehalten. Vor dem Mainzer Schloss wurde gegen Sarrazins Auftritt demonstriert - mit viel Spaß, aber eindeutiger Botschaft.

Es ist keine aufregende Rede, die Thilo Sarrazin da im Mainzer Schloss gehalten hat. Doch der „Beelzebub aus Berlin“ – so bezeichnete sich Sarrazin in seiner Rede selbst – gefiel sich lediglich in der Rolle des bösen Buben, ansonsten hielt er sich brav zurück. Sarrazin sollte eine Laudatio halten, dafür war er von der Mainzer Ranzengarde eingeladen worden. Denn die älteste Mainzer Fastnachtskorporation verlieh am Sonntag beim traditionellen Närrischen Generalappell den „Ranzengardisten" an den Mainzer Kabarettisten Lars Reichow. Sarrazin hatte diesen Fastnachtsorden vor zwei Jahren erhalten. Die Garde zeichnet damit Personen des öffentlichen Lebens aus, die sich als Botschafter der Mainzer Fastnacht verdient gemacht haben

Der Auftritt von Sarrazin hatte in Mainz viel Kritik ausgelöst: „Rassismus wird salonfähig gemacht", argumentierten die Gegner des Sarrazin-Auftritts. Die Mainzer SPD sagte ihre Teilnahme an der Preisverleihung ab. Rund zwanzig Vereine und Initiativen, darunter die Grünen und die DGB-Jugend, riefen schließlich dazu auf, gegen den Auftritt von Sarrazin zu demonstrieren. Diesem Aufruf folgten weit mehr als zweihundert Menschen. Sie zogen mit roten Pappnasen, bunten Narrenmützen und viel Musik vor das Mainzer Schloss, ein buntes Treiben, unter den Demonstranten waren Clowns, Trommler und Bänkelsänger. Bei allem Spaß, den sie hatten, ihre Botschaft war eindeutig: „Sarrazin ist in Mainz nicht willkommen." Wasser und Brot habe der verdient – aber nicht „Weck, Worscht und Woi“.

Während vor dem Schloss in Bänkelsängermanier gesungen wird, dass Sarrazin „doch nach Dubai gehen“ soll, dahin, „wo der Pfeffer wächst“, schwadroniert Sarrazin im Schloss über den Humor, den Zynismus, das Wesen der Mainzer und natürlich über den Preisträger Lars Reichow. Den lobt er vor allem dafür, dass er keinen Standpunkt habe. Was typisch für den Mainzer ist, wie Sarrazin, der mehrere Jahre im Mainzer Finanzministerium als Staatssekretär gearbeitet hat, bemerkt haben will. Zum Thema Zynismus weiß er zu sagen, dass der die „böse Stiefschwester“ des Humors sei und dass vor allem der Politiker zum Zyniker werden müsse: „Sonst verliert man den Verstand.“ Da gähnte so mancher Narr im Saal, der sich mehr von Sarrazin versprochen hatte.

Ein bisschen lustiger wird es schließlich, als der Preisträger das Wort ergreift. Zuallererst gibt Lars Reichow zu, sich Sarrazins Buch heruntergeladen zu haben – „das Buch, in dem die Muslime mit jedem Kapitel mehr werden“. Er bezeichnet seinen Laudator als „Spätzündler", aber so richtig distanzieren will er sich dann auch wieder nicht. Sarrazin habe einen Nerv getroffen, meint Reichow. Und: „Viele von uns haben Angst vor Überfremdung – ich auch.“ Das sagt der Unterhaltungskanzler wortwörtlich. Ob da noch eine Pointe kommt? Sie geht im tosenden Applaus der Narrenschar jedenfalls unter. Und vor der Tür steht ein Ranzengardist und wartet. Das Buch „Deutschland schafft sich ab“ hat er dabei, Sarrazin soll es ihm noch signieren.

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