zum Hauptinhalt
Innenminister Thomas de Maizière über seine Integrationspolitik und die Singularität der Hauptstadt.

© dapd

Thomas de Maizière zur Integration: "Fehlentwicklung so nur in Berlin"

Innenminister Thomas de Maizière über seine Integrationspolitik und die starke Ausprägung von Parallelgesellschaften in der Hauptstadt.

Herr Minister, Sie sagen, zehn bis 15 Prozent der Migranten seien integrationsunwillig. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Am morgigen Mittwoch verabschiedet das Kabinett das sogenannte aufenthaltsrechtliche Paket. Mehrere Punkte darin wurden im Koalitionsvertrag vereinbart und werden jetzt umgesetzt.
Welches sind die neuen Regelungen, die auf die aktuelle Debatte zurückgehen?
Wir sorgen beispielsweise für einen besseren Informationsaustausch zwischen den Trägern der Integrationskurse, den Ausländerbehörden, den Sozialbehörden und den Einbürgerungsbehörden. Das soll sicherstellen, dass Migranten, die zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet sind, diesen auch wirklich besuchen. Zudem wird bei der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis künftig überprüft, ob der Antragsteller seiner Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs nachgekommen ist. Verweigert er die Teilnahme, kann die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt werden.
Was hatte die Koalition längerfristig vorbereitet?
Wir führen einen eigenen Straftatbestand Zwangsehe ein. Schließlich ist Zwangsheirat mittlerweile in Deutschland ein ernst zu nehmendes Problem. Immer mehr Betroffene, insbesondere junge Migrantinnen, berichten öffentlich von ihren Erfahrungen. Bisher wurde das Herbeiführen einer Zwangsehe als qualifizierte Nötigung gesehen. Künftig drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Mit dem eigenen Straftatbestand wollen wir zum Ausdruck bringen, dass unsere Gesellschaft Zwangsehen ächtet. Durch die Schaffung eines eigenen Straftatbestandes wird das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für das Unrecht, das in jeder Zwangsheirat liegt, geschärft. Wir lockern zudem die räumlichen Beschränkungen für Asylbewerber, die eine Arbeit aufnehmen wollen. Und wir führen außerdem ein Rückkehrrecht für Frauen ein, die in Deutschland aufgewachsen sind und in der Türkei gegen ihren Willen verheiratet werden sollen.
Heißt das, die Bundesregierung verschärft ihren Kurs gegenüber Ausländern?
Nicht nur. Integration und Migration sind zwei Seiten einer Medaille. Wir gehen konsequent vor nach dem Motto „Fördern und fordern“. Ich erkläre es Ihnen an einem Beispiel: Wir wollen, dass Asylbewerber dem Steuerzahler nicht zur Last fallen. Deshalb wollen wir ihnen Gelegenheit geben, selbst Geld zu verdienen, wenn sie Arbeit finden.
Sollen bei Integrationsverweigerung Transferleistungen gekürzt werden?
Das ist heute schon geregelt. Wer trotz Verpflichtung nicht am Integrationskurs teilnimmt und eine Eingliederungsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit hat, muss mit Kürzungen rechnen. Wir haben die Länder gefragt, ob diese Regelung angewandt wird. Ich vermute, dass es ein Vollzugsproblem gibt. Wenn sich das so bewahrheitet, dann müssen die Länder konsequenter Gebrauch von der Regelung machen.
Was nützen Sanktionen, wenn die Integrationskurse überbelegt sind?
Wir geben in diesem Jahr 233 Millionen Euro und damit mehr Geld als je zuvor für Integrationskurse aus. Wir haben dafür gesorgt, dass jeder, der zur Teilnahme verpflichtet ist, auch einen Platz bekommt. Daneben gibt es rund 9000 Migranten, die freiwillig teilnehmen wollen. Sie müssen im Schnitt drei Monate warten. Wir brauchen aber nicht mehr Geld, wir müssen es künftig nur noch besser einsetzen. Wir geben zu viel Geld für Fahrtkosten aus und für Kinderbetreuung am Kursort, obwohl Kinderbetreuung am Wohnort viel sinnvoller wäre. Auch die Zahl der Teilzeitkurse ist zu hoch.
Thilo Sarrazins Buch hat eine riesige Debatte ausgelöst. Er forderte ein schärferes Vorgehen gegen Integrationsunwillige. Nun sagen Sie selbst, Sie reagieren auf diese Debatte. Hat sich Sarrazin am Ende verdient gemacht um Deutschland?
Nein. Diese Darstellung wäre stark verkürzt. Sarrazins Integrationsthesen sind spalterisch, das bringt uns nicht weiter. Wahr ist allerdings, dass sein Buch in Verbindung mit dem Buch „Das Ende der Geduld“ der Berliner Richterin Kerstin Heisig der Integrationsdebatte zu größerer Bedeutung verholfen hat. Integration wird jetzt als das wahrgenommen, was es sein muss, nämlich eines der zentralen politischen Aufgabenfelder.
Zeigt der Erfolg Sarrazins, dass die Politik jahrelang Fehler gemacht hat?
Natürlich gibt es Versäumnisse. Das betrifft allerdings nicht nur die Zuständigkeit des Bundes. Auch im Bereich von Städteplanung, Bildung und Kriminalitätsbekämpfung, für die Länder und Kommunen Verantwortung tragen, sind Fehler zu verzeichnen. So erklärt sich etwa, dass es in einzelnen Städten unterschiedliche Problemlagen gibt, obwohl dort ähnliche Bevölkerungsanteile migrantischen Ursprungs leben. Nicht alles, was zum Beispiel in Berlin schlecht läuft, darf das Bild der Integration in Deutschland prägen.
Was läuft in Berlin schlechter als anderswo?
Eine so starke Ausprägung von Parallelgesellschaften und eine so große Konzentration von Migranten mit mäßigem Integrationswillen findet man nirgendwo anders. In Köln, Stuttgart und München gibt es diese Dramatik nicht. Diese Fehlentwicklung findet so nur in Berlin statt.
Und woran liegt das?
Da gibt es immer viele Ursachen. Zum Beispiel wurde zugelassen, dass sich Migranten vor der Maueröffnung in den für Deutsche wenig attraktiven Stadtgebieten nahe der Mauer gesammelt haben. Einen weiteren Grund dafür sehe ich auch in der Illusion von Rot-Grün und den Linken, dass sich aus einem ungeordneten Nebeneinander verschiedener Kulturen ganz natürlich ein friedliches Zusammenleben entwickeln würde. Die Multikulti-Illusion war in Berlin immer besonders stark verbreitet.
Das Gespräch führten Hans Monath und Antje Sirleschtov.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false