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Thüringen: Ohnmacht in Erfurt

Dieter Althaus tut so, als sei er gar nicht zurückgetreten – selbst Anhänger sind verwirrt.

Im Tumult der Pressekonferenz von Dieter Althaus kippte am Ende auch der DDR-Bürgerrechtler Matthias Büchner aus den Latschen. Büchner saß ziemlich weit vorne und hatte einen guten Blick auf den Mann im Rampenlicht, den er im Wahlkampf unterstützt hatte. Der Erfurter mit dem wallenden Graubart wollte offenbar mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören, wie Althaus seinen Rücktritt und seine Wiederkehr erklärt. So wie all die Journalisten, Mitarbeiter und Neugierigen, die sich in den Bürgersaal der Staatskanzlei drängten.

Es wurde einer dieser denkwürdigen Auftritte von Althaus, von ähnlich hohem Interesse wie damals im April nach seiner Genesung von den Folgen des Skiunfalls. Am Ende aber war nicht nur die Luft so stickig, dass neben Büchner auch einer Fernsehfrau schlecht wurde; am Ende herrschte Fassungslosigkeit. „Unter aller Sau“ stöhnte ein Ministerieller entsetzt. Als „desolat“ empfand ein anderer den Auftritt. „Er stellt sich an wie ein trotziges Kind“, meinte ein Dritter. Selbst Mitarbeiter aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten sollen nur noch den Kopf geschüttelt haben.

Althaus droht sein politisches Renommee endgültig zu verspielen. Wie sehr er in seiner eigenen Welt lebt, belegt er gleich zu Beginn der Pressekonferenz: Als gäbe es nicht die Flucht heim nach Heiligenstadt vom Donnerstag, als gäbe es nach der Wahlschlappe nicht Chaos und Machtkampf in der Regierungspartei CDU – Althaus trat an sein Pult und sprach über Arbeitsmarktzahlen, über den Bundesrat und eine Tagung der Ministerpräsidenten in Mainz, an der er offenbar teilnehmen will.

Das wirkte regelrecht unheimlich. Am Donnerstag war Althaus mit einem einzigen Satz als Regierungschef und CDU-Landeschef zurückgetreten. Eine Entscheidung, die er offenbar nur mit seiner Familie abgesprochen hatte. All jenen schlug er damit vor den Kopf, die ihm in der CDU in den Tagen nach der schweren Wahlniederlage beigesprungen waren. Am Dienstag nun wollte er seine überraschende Rückkehr in die Staatskanzlei als das Normalste der Welt darstellen. „Ich war einfach zu Hause und habe meine Arbeit gemacht.“

Wenn er ein Held ist, dann ein einsamer. Denn niemand außer ihm und seinen Vertrauten teilt diese Ansicht. Vielmehr ging seine Stellvertreterin Birgit Diezel wie alle anderen davon aus, dass sie nun die Regierungsgeschäfte führt. Aber Althaus will das nicht wahrhaben. Er beharrte mit Verweis auf die Thüringer Verfassung, alles richtig gemacht zu haben. „So war das von Anfang an geplant“, sagte er über seine Rückkehr. „Ich würde es genau so wieder machen“, sagte er über seinen Rücktritt. Und nun? „Ich regiere nicht, sondern führe mein Amt weiter.“

Verwundert es da, dass Diezel und die zweitwichtigste Frau der CDU, Sozialministerin Christine Lieberknecht, die Reißleine zogen? In einer Nachtsitzung am Montag einigten sie sich, dass Lieberknecht die Althaus-Nachfolge in der erhofften Koalition mit der SPD antreten soll. Die unvermutete Rückkehr des Zurückgetretenen legt die Vermutung nahe, dass er sich nun in die Nachfolgeregelung einmischen will. Ein Beleg ist die unglaubliche Kargheit, mit der Althaus auf die potenzielle Nachfolgerin reagierte. Ob Lieberknecht seine Unterstützung habe, wurde er gefragt. Die Antwort: „Diese Frage stellt sich jetzt nicht.“

„Im Sieg sind viele Sieger. Und in der Niederlage gibt es immer wenige, die die Niederlage verantworten“, sagte Althaus. Er wolle den Weg für eine Koalition mit der SPD frei machen. Ob das aufgeht? An diesem Mittwoch sondieren wieder SPD und Linke, diesmal mit den Grünen. Der Spitzenmann der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, lästerte am Dienstag über einen Althaus, der die „ganze CDU zertrümmert“. Als „Neues aus der Anstalt“ müsse man das vermarkten, wäre doch eine gute Satiresendung für das Fernsehen. Die Chance für ein Linksbündnis in Thüringen sieht Ramelow gerade gestiegen, er gibt sie mit 50 zu 50 an.m.m.

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