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© dpa-Zentralbild

Thüringen-Wahl: Zum Zerreißen

Thüringens SPD-Basis neigt zu Rot-Rot-Grün und setzt den Parteichef unter Druck.

Von Matthias Schlegel

Nach der Bundestagswahl wächst in Thüringen der Druck auf die SPD, sich im Land für eine der beiden Koalitionsvarianten zu entscheiden: für Rot-Rot-Grün oder für Schwarz-Rot. Trotz eines Landtagswahlergebnisses am 30. August von nur 18,5 Prozent kann ohne die SPD im Freistaat keine Regierung gebildet werden. Seit Wochen laufen Sondierungsgespräche in beiden Konstellationen.

Mit dem „besten Bundestagswahlergebnis der CDU seit 15 Jahren“ wirbt die amtierende CDU-Landesvorsitzende Birgit Diezel um die Sozialdemokraten: Auch auf Landesebene würden nun „stabile politische Verhältnisse unter Einbeziehung der CDU erwartet“. Für den Linkspartei-Spitzenkandidaten Bodo Ramelow ist dagegen die Wahl von Schwarz-Gelb auf Bundesebene ein Grund mehr, dass sich die Sozialdemokraten für ein Zusammengehen mit Linken und Grünen entscheiden sollten – als Gegengewicht.

So geht SPD-Landeschef Christoph Matschie mit schwerem Gepäck in die letzten Sondierungsgespräche am Mittwoch. Unmittelbar danach will der Landesvorstand beraten und noch am Abend mitteilen, mit wem offizielle Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Es könnte zu einer Zerreißprobe für die Partei kommen: Große Teile der Basis drängen Matschie zu Rot-Rot-Grün, weil das Wahlergebnis ein Auftrag zum Wechsel in Thüringen gewesen sei. Doch atmosphärisch scheint es bei den Sondierungen zwischen SPD und CDU deutlich besser zu laufen als mit Linken und Grünen. Zuletzt zeigte sich die SPD-Spitze verärgert über die Vorstöße der Linken, einen konsensfähigen Ministerpräsidentenkandidaten zu finden. Dass in diese Bemühungen offenbar auch linke SPD-Kreise eingebunden waren, verdeutlicht nur noch einmal Matschies Dilemma.

Dass die Basis in Richtung Rot-Rot- Grün tendiert, bekommt die Parteiführung auf vielen Kanälen mitgeteilt. Eine organisierte Erkundung des Parteiwillens gibt es jedoch nicht – zu deutlich würde sonst der Druck, mit dem Matschie in Richtung eines Linksbündnisses gedrängt werden könnte.

„Unser Wunsch, unser Gefühl sagt: Rot-Rot-Grün“, beschreibt etwa der Kreisvorsitzende Uwe Höhn die Stimmung in Hildburghausen. Allerdings hänge die Entscheidung vom Ausgang der Sondierungsverhandlungen ab. „Das Meinungsbild ist klar für Rot-Rot-Grün, und das bringt Christoph erheblich in Bedrängnis“, sagt die Kreischefin in Nordhausen, Dagmar Becker. „Wir wollen Rot-Rot- Grün unter einem SPD-Ministerpräsidenten“, meint der Kreisvorsitzende von Suhl, Bertram Weiß. Ein politischer Neubeginn gehe nur, wenn der CDU-Filz beseitigt werde. Das sind keine Einzelstimmen. „Wir haben doch nicht wie die Irren gegen die CDU gekämpft, um jetzt mit denen zu koalieren“, entsetzt sich auch ein Mitglied des Landesvorstands.

Schon zum Auftakt der Sondierungen war der Chef eines Erfurter Ortsvereins vorgeprescht, um eine Mitgliederbefragung zum weiteren Vorgehen zu erzwingen. „Sturm im Wasserglas“, gab sich der Parteichef damals gelassen. Einschüchtern allerdings lässt sich eine meinungsfreudige Partei wie die SPD damit nicht.

Im Kreisverband der Landeshauptstadt wurde mittlerweile offiziell festgehalten, dass die Sympathie der Mitglieder für Rot-Rot-Grün größer ist als für Schwarz- Rot. Der Erfurter Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider beschwört den Wechselwillen und die großen inhaltlichen Schnittmengen mit Linken und Grünen. Allerdings hat man an der Basis auch registriert, wie beharrlich die Skepsis der Grünen ist und wie unberechenbar sich die Linkspartei, vor allem deren Spitzenmann Ramelow, verhält. Wie soll man mit einem Partner fünf Jahre lang regieren, fragen Insider verzweifelt, wenn der sich bei den Sondierungen nicht einmal an die vereinbarte Tagesordnung hält?

Es brodelt in der SPD. Deshalb sagt Landesvorstand Rolf Baumann vom Kreisverband Schmalkalden-Meiningen, man müsse gleich nach der Entscheidung am kommenden Mittwoch die Kreis- und Ortsverbände über die Gründe informieren. „Es kann passieren, dass es so stark rumort, dass die Entscheidung infrage steht“, warnt der Suhler Kreisvorsitzende Weiß im Fall einer Hinwendung zur CDU: „Es darf uns nicht zerreißen.“

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