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Tibet: Kein Ruhestand für Seine Heiligkeit

Der Exil-Kongress spricht dem Dalai Lama sein Vertrauen aus – und stellt sich hinter seine Chinapolitik.

Über Tage hatte er alle rätseln lassen. Am Sonntag bereitete Seine Heiligkeit den Gerüchten dann endlich ein Ende und schloss seinen Rücktritt aus. "Ruhestand ist kein Thema", stellte der Dalai Lama im indischen Dharamsala klar. Es sei seine moralische Verpflichtung, sich bis zu seinem Tod für die tibetische Sache einzusetzen, sagte er. Zuvor hatte sich der Exil-Kongress der Tibeter hinter die Chinapolitik des Dalai Lama gestellt und ihm das Vertrauen ausgesprochen. Damit bleibt der 73-Jährige unbestrittener Führer des tibetischen Volks.

Sechs Tage lang hatten 660 Exil-Tibeter aus aller Welt in Dharamsala am Fuße des Himalaya über den weiteren Kurs diskutiert. Es war das erste Treffen dieser Art überhaupt. Der Dalai Lama hatte es einberufen, nachdem er eingestanden hatte, mit seinen bisherigen Bemühungen um mehr Autonomie für Tibet gescheitert zu sein. Öffentlich hatte er auch mit Rücktrittsgedanken gespielt - und damit indirekt die Vertrauensfrage gestellt. Der gewaltfreie Mittelweg des Dalai Lama ist in jüngster Zeit verstärkt kritisiert worden

Der Zeitpunkt war kaum zufällig gewählt: Im November 1950 war der 15-jährige Mönch Tenzin Gyatso auch zum weltlichen Oberhaupt Tibets ernannt worden. Nun, genau 58 Jahre später, haben die Delegierten sein Mandat gewissermaßen bekräftigt. "Wir haben ihn einstimmig gebeten, uns weiter zu führen und nicht von Ruhestand zu reden", sagte der Sprecher des Exil-Parlaments, Karma Choepel. Die Tibeter wissen, dass sie es vor allem dem Dalai Lama zu verdanken haben, dass ihr Anliegen inzwischen weltweit Sympathien findet. Und bisher ist kein Nachfolger in Sicht, der nur annähernd sein Charisma besitzt.

Mit dem Kongress wollte der Dalai Lama die Bewegung wieder einen und auch dem Volk mehr Verantwortung übertragen. In jüngster Zeit war verstärkt Kritik an seinem gewaltfreien "Mittelweg" laut geworden. Junge Tibeter rufen nach der Unabhängigkeit Tibets, also der Loslösung von China und liebäugeln dafür auch mit militanten Strategien. Der Dalai Lama setzt dagegen auf Gespräche und verlangt lediglich Autonomie innerhalb der Volksrepublik. Allerdings läuft den Tibetern die Zeit davon. Peking ist dabei, die tibetische Kultur und Nation zu zerstören. Auch der Dalai Lama warnte, der tibetischen Nation drohe die "Todesstrafe". Wenn die Tibeter nicht sehr aufpassten, sei die tibetische Gemeinschaft in den nächsten 20 Jahren in "großer Gefahr", sagte er.

Der Exil-Kongress stellte sich nun hinter den sanften "Mittelweg", aber er band erstmals auch die Kritiker ein und verschärfte die Tonart gegenüber Peking. Die Delegierten beschlossen, die Gespräche mit China vorerst auszusetzen. Und sie behielten sich vor, Unabhängigkeit zu fordern, wenn China nicht positiv auf den Mittelweg reagiert. Eine Frist wurde nicht genannt. "Der Ball ist nun bei China", sagte der Aktivist Tenzin Tsundue, der als einer der Wortführer einer härteren Strategie gilt. Aber dies kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Tibeter machtlos sind und keine Druckmittel gegenüber China haben.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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