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Die Mönche sehen Selbstverbrennung als Möglichkeit wichtige Botschaften öffentlich zu machen.

© AFP

Tibetischer Protest: Wichtige Botschaft

In ihrem Widerstand gegen die chinesische Herrschaft verbrennen sich immer mehr tibetische Mönche und Nonnen – Peking reagiert mit Härte.

Die Bilder, die der britische Journalist Jonathan Watts aus Aba mitgebracht hat, sind erschreckend: In den Straßen der mehrheitlich von Tibetern bewohnten Stadt in der Provinz Sichuan stehen alle dreißig bis vierzig Meter Dutzende chinesische Militärposten. Die Bereitschaftspolizei ist mit Gewehren und Schilden bewaffnet, einige Sicherheitskräfte tragen, wie der China-Korrespondent des „Guardian“ beschreibt, „fies aussehende Knüppel mit Nägeln, die fast mittelalterlich anmuten“. Zahlreiche Löschfahrzeuge stehen in den Straßen, einige Polizisten tragen Feuerlöscher. So sieht Chinas Antwort auf die bisher insgesamt 23 Selbstverbrennungen von Tibetern aus.

Der vorerst letzte, nach Angaben von „Radio Free Asia“ der 18 Jahre alte Mönch Nyadrol, hatte sich am Sonntag in Aba verbrannt. „Er hat es am Sonntagmittag vor dem Zamtang Jonang Kloster getan“, berichtet Tsayang Gyatso von der Vereinigung der Jonang Buddhisten in Dharamsala und beruft sich auf Kontakte in der Region. „Chinesische Sicherheitskräfte haben versucht, seinen Körper mitzunehmen, doch den Mönchen des Zamtang Jonang Klosters gelang es, in den Besitz seines verkohlten Körpers zu kommen und zu beten.“ Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe „International Campaign for Tibet“ sollen sich am Sonntagabend mehr als 1000 Menschen zu einer Mahnwache versammelt haben.

Das Gebiet um Aba (Tibetisch: Ngawa), in dem 37 buddhistische Klöster liegen, gilt als das Zentrum des tibetischen Protestes gegen China. Innerhalb eines Jahres sollen sich 15 Mönche und Nonnen selbst verbrannt haben. Die tibetische Minderheit beklagt ihre kulturelle und religiöse Unterdrückung durch China und fordert die Rückkehr des Dalai Lama.

China hält Tibet seit 1951 besetzt. Die Regierung in Peking bezeichnet die Proteste als eine vom Dalai Lama orchestrierte Verschwörung mit dem Ziel, China spalten zu wollen. Chinas Außenamtssprecherin Jiang Yu hat die Selbstverbrennungen als „getarnten Terrorismus“ und nicht buddhistisch gebrandmarkt.

Die Spannungen in den tibetischen Regionen dürften in den nächsten Wochen noch zunehmen. Mit dem Beginn des tibetischen Neujahrs am 22. Februar und dem Jahrestag des tibetischen Aufstandes gegen die kommunistische Herrschaft am 10. März 1959 stehen zwei sensible Daten bevor. Geht es nach den chinesischen Behörden, soll die Weltöffentlichkeit die Polizeipräsenz in Aba und anderen Regionen gar nicht zu sehen bekommen. Die Sicherheitskräfte riegeln die tibetischen Gebiete in Sichuan ab und verwehren ausländischen Journalisten und Touristen die Einreise. Aus Aba dringen kaum Nachrichten nach außen, Internet und Mobiltelefone funktionieren nicht. Dem Reporter des „Guardian“ gelang es, in einem Wagen versteckt die zahlreichen Straßensperren zu überwinden.

China reagiert mit harten Maßnahmen auf die Selbstverbrennungen und Proteste in Tibet. Wie die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ berichtet, werden seit dem 6. Februar tibetische Reisende festgenommen, die aus Indien von Gebetssitzungen mit dem Dalai Lama zurückkehren. Das religiöse Oberhaupt der Tibeter residiert seit seiner Flucht 1959 in Dharamsala, hier befindet sich auch die tibetische Exilregierung. Mehrere Hunderte tibetische Reisende mit legalen Reiseunterlagen sollen nach Angaben von „Human Rights Watch“ nach der Rückkehr aus Dharamsala in Umerziehungslagern festgesetzt worden sein. „Willkürliche Festnahmen von Menschen und zwangsweise politische Indoktrination sind ein Bruch chinesischer und internationaler Gesetzte“, sagt Sophie Richardson, China-Direktorin von „Human Rights Watch“.

Wie „Radio Free Asia“ unter Berufung auf tibetische Quellen berichtet, werden auch die Klöster schärfer kontrolliert. Zahlreiche Mönche und Nonnen haben die Klöster verlassen oder wurden rausgeworfen, weil sie sich weigerten, den neuen Regeln Folge zu leisten. Demnach muss jedes Kloster die chinesische Nationalfahne aufziehen und Bilder chinesischer Führer aufhängen. Die staatlich kontrollierte „Global Times“ bestätigt in einem Bericht vom 16. Februar die Bildung von Kloster-Komitees in Tibet, die nach Aussage eines Beamten die Befolgung religiöser Praktiken und Rituale sicherstellen sollen.

Doch schon 1963 verteidigte eine buddhistische Nonne in einem Brief an Martin Luther King das Phänomen einer buddhistischen Selbstverbrennung in Vietnam. Seinen Willen auszudrücken, während man brennt, sei kein destruktiver Akt, sondern ein konstruktiver. „Sich selbst zu verbrennen, ist der Beweis, dass das, was man zu sagen hat, von äußerster Wichtigkeit ist“, schrieb die Nonne. Der am Sonntag gestorbene Mönch Nyadrol soll mit seinen letzten Worten „Freiheit für Tibet“ gefordert haben.

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