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Politik: Tierschutz geht vor Tradition

Die grüne Landwirtschaftsministerin in NRW schränkt das Schächten ein – zum Ärger der Muslime

Bärbel Höhn hält nichts vom Schächten. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsministerin verteidigt daher ihren umstrittenen Erlass, mit dem die in Islam und Judentum rituell vorgeschriebene Schlachtmethode auf ein Minimum begrenzt werden soll. „Wir wollen die Menschen nicht in ihrer Religionsfreiheit einschränken. Wir wollen nicht polarisieren. Aber auch Muslime müssen sich der Tierschutzgesetzgebung in diesem Land stellen“, sagte die Grünen-Politikerin dem Tagesspiegel. „Unser Ziel war es, vor dem Opferfest eine neue Regelung zu finden“, sagt Höhn. Am 12. Februar ist das religiöse Fest, für das traditionell geschächtet wird.

Die umstrittene Schlachtmethode ermöglicht Muslimen und Juden den Verzehr von unblutigem Fleisch. Dabei werden den Tieren Halsschlagader, Luft- und Speiseröhre mit einem Schnitt durchtrennt. Betäubt werden die Tiere vorher nicht, verlieren aber sofort das Bewusstsein. In einem Urteil vom Januar 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht muslimischen Metzgern das Schächten grundsätzlich erlaubt mit der Begründung, ein Verbot widerspreche der Religionsfreiheit. Der Aßlarer Metzger Rüstem Altinküpe hatte nach seinem Sieg in Karlsruhe vom Gießener Landgericht eine grundsätzliche Erlaubnis zum Schächten bekommen. Allerdings geht das Land Hessen nun in Berufung gegen das Urteil. Und auch Bärbel Höhn stellt das Urteil jetzt in Frage. Inzwischen seien Religionsfreiheit und Tierschutz „zwei gleichrangige Güter im Grundgesetz, die abgewogen werden müssen“.

Für die Zeit rund um das Opferfest hat Höhn deshalb einen zeitlich befristeten Erlass entworfen, der vor einer Woche in Kraft getreten ist. Muslimische Metzger müssen danach genau begründen, warum es aus religiösen Gründen nicht möglich ist, das Tier vor dem Schächten zu betäuben. „Im Koran steht nicht, dass ein Tier vor dem Töten nicht betäubt werden darf. Es gibt viele Auslegungen, die eine Betäubung vor dem Töten zulassen“, sagt Höhn. „Es kann nicht sein, dass jemand in großem Stil ohne Betäubung schächtet und das Fleisch auch vielen Menschen verkauft wird, für die das aus religiösen Gründen gar nicht wichtig ist.“

Entscheidend sei, „dass der Tötungsprozess so passiert, dass das Tier nicht unnötig leidet“. Aiman Mazyek, Vorsitzender der Kommission für Schächten des Zentralrats der Muslime und des Islamrats wehrt sich gegen das „Vorurteil“, dass Muslime den Tierschutz nicht ernst nähmen. „Es gibt knallharte Regeln, wie mit dem Tier sachgerecht umzugehen ist“, sagt Mazyek. „Die Debatte schadet der Integration gewaltig“, befürchtet er.

Das bestreitet Höhn allerdings: „Integrationsprobleme können wir nicht dadurch beseitigen, dass wir sie ausklammern. Wenn wir aus Angst, etwas könnte falsch interpretiert werden, bestimmte Fragen nicht angehen, nützt das der Integration nicht“, sagt die Ministerin und kündigt einen Runden Tisch an.

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