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Politik: Tod der Politik

Von Clemens Wergin

Der Krieg gegen den Terror kann nicht gewonnen werden – das sagte George W. Bush in einem Moment der Nachdenklichkeit. Diesen Satz hat er wegen des Wahlkampfs wieder zurückgenommen. Aber nun scheint eine beispiellose Terrorwelle den USPräsidenten zu bestätigen: Im Irak wurden zwölf Nepalesen ermordet, in Israel starben 16 und in Moskau acht Menschen bei Selbstmordattentaten. Ein Albtraum, der sich fortsetzt mit einer Massengeiselnahme durch tschetschenische Terroristen in einer Schule in Nordossetien.

Wie eine Hydra erhebt der Terror sein vielköpfiges Haupt. Fast glaubt man an eine orchestrierte Gleichzeitigkeit, mit Osama bin Laden als Chefdirigenten, der die Internationale des Terrors anstimmt. Aber auch wenn Al Qaida in Tschetschenien kräftig mitmischt: Bin Laden steckt nicht hinter jedem Attentat. Allerdings sind einige Ähnlichkeiten bei diesen und anderen Anschlägen in der Tat erstaunlich: Terrorismus geht heute weltweit vor allem von fanatischen Muslimen aus. Selbstmordattentate mit Sprengstoff wurden zu ihrem Erkennungsmerkmal. Diese Spezialform des Attentats wurde in den 80ern von der libanesischen Hisbollah erfunden. Über zunächst von Israel abgeschobene Palästinenser fand diese Technik später den Weg in die besetzten Gebiete. Heute ist das Selbstmordattentat zum Zeichen militanter Islamisten geworden. Es signalisiert: Wir sind euch überlegen, weil wir bereit sind, das Höchste einzusetzen. „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“ ist ihre Losung.

Es gibt Verteidiger des Terrors, die darin die Herstellung von Waffengleichheit sehen zwischen einem übermächtigen Unterdrücker und einem militärisch unterlegenen Volk, das nach Freiheit strebt. Und es gelingt den Terroristen ja tatsächlich, Israel oder auch Russland unter Druck zu setzen, wenn sie Tod nicht allein unter kampferprobten Soldaten säen, sondern in die Zivilgesellschaften hineintragen. Auch würde sich die Weltöffentlichkeit viel seltener mit dem Leiden der Palästinenser oder der Tschetschenen auseinander setzen, wenn die Terroristen sich nicht regelmäßig in die Abendnachrichten bomben würden.

Dennoch: Wer im Terror politische Rationalität sucht, trifft den Kern des Phänomens letztlich nicht. Das wird am deutlichsten beim Mord an den Nepalesen im Irak: arme Migranten, die ins Land gekommen waren, um sich als Koch- und Putzhilfen ein wenig Wohlstand zu erarbeiten. Wer solche armen Schlucker als „Besatzer“ begreift, folgt keinem politischen Programm, sondern ist erfüllt von hysterischem Hass gegen alle „Ungläubigen“.

Auch in den Palästinensergebieten oder in Tschetschenien ist Terror nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Er ist nicht nur Kriegstechnik, sondern untrennbar mit totalitärem Denken verknüpft. Selbstmordattentäter lassen sich schlecht mit der Botschaft rekrutieren, man strebe einen gerechten politischen Kompromiss mit der anderen Seite an. Im Gegenteil, die Geschichte der palästinensischen Attentate zeigt, dass sie meist zur Verhinderung einer politischen Lösung dienten. Der Terrorist will alles, weil es ihm von Allah zugedacht ist.

Kompromisse mit islamistischen Terroristen sind so kaum denkbar. Und wenn der Staat etwa bei Geiselnahmen nachgibt, um Menschenleben zu retten, dann ermuntert er gleichzeitig zu neuen Erpressungsversuchen. In dieser Hinsicht hat der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani Recht, der Deutschland auf dem Republikaner-Parteitag vorwarf, 1972 eine Ursünde begangen zu haben. Einige Wochen nach dem Terroranschlag in München hatte die Regierung Brandt drei der Attentäter gegen ein gekapertes Flugzeug ausgetauscht. Das war der Auftakt für eine Reihe ähnlicher Aktionen in Europa in den 70er und 80er Jahren, die so heute nicht mehr denkbar sind.

Politik kann und muss allerdings auf die einwirken, die noch nicht auf radikale Parolen hereingefallen sind. Deshalb reicht sowohl Putins als auch Scharons harte Hand nicht aus. Wenn diese nicht mit politischen Angeboten an die noch Kompromissbereiten verknüpft ist, nähren sich die Konflikte nur immer wieder selbst.

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