zum Hauptinhalt

Tod des Terroristen-Chefs: Wie die US-Dienste bin Laden aufspürten

Jahrelang mühten sich US-Geheimdienste und -Militär vergebens Osama bin Laden ausfindig zu machen. Wie ist nun der plötzliche Erfolg der fast zehnjährigen Jagd zu erklären?

Die von den Anschlägen des 11. September in New York geprägten Amerikaner hatten sehnlichst und seit Jahren darauf gewartet: Kaum war die Nachricht vom Tod Osama bin Ladens durch US-Medien in Umlauf gebracht, versammelten sich vor dem Weißen Haus Hunderte von begeisterten Menschen. Sie schwenkten Amerika-Flaggen, sangen die Nationalhymne und God bless America. Und nicht nur in der Hauptstadt Washington.

In Philadelphia skandierten die Zuschauer bei einem Baseballspiel sofort ohrenbetäubend "USA! USA! USA!!" Und in New York, am Ground Zero, auf jenem Platz, wo Al-Qaida-Terroristen Amerika angegriffen hatten, lagen sich die Menschen in den Armen.

Um kurz nach 11 Uhr abends verkündete dann ein erleichterter und stolzer Präsident Obama, was sich inzwischen wie ein Lauffeuer verbreitet hatte: "Osama bin Laden ist tot." Mehr noch: Die Vereinigten Staaten seien im Besitz seines Leichnams.

Seit 1999 steht der Al-Qaida-Chef ganz oben auf der amerikanischen Fahndungsliste, schon Präsident Clinton wollte ihn hinter Schloss und Riegel bringen. Seit Ende 2001 machten sich ungezählte hochgerüstete Spezialteams auf den Weg, um seiner habhaft zu werden. "Bringt ihn mir tot oder lebendig", so lautete der Befehl des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush.

Aber die Suche schlug fehl. Fast wäre er seinen Häschern Ende 2001 in Afghanistan ins Netz gegangen. Doch dann verschwand er für lange Zeit auf Nimmerwiedersehen über die Grenze nach Pakistan. Er verbarg sich in Höhlen und versprengten Dörfern in der unzugänglichen Bergwelt Waziristans. Am Ende begab er sich hinein nach Pakistan, in den Umkreis der Millionenmetropole Islamabad.

Wie ist der plötzliche Erfolg dieser fast zehnjährigen Jagd zu erklären? Kurz nach der Ansprache des Präsidenten erzählten Berater, was sich in groben Umrissen in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren ereignet hat. Zunächst informierte nach dem 11. September 2001 ein Al-Qaida-Gefangener Amerikas Geheimdienste über einen Boten bin Ladens, der hohes Vertrauen des Terrorchefs genieße. Doch sie kannten nur seinen Spitznamen. Erst vier Jahre später gelang es, diesen Boten und einen Bruder aufzuspüren und zu identifizieren.

Von da an heftete man sich an seine Fersen, ohne jedoch eine Spur zu bin Laden zu finden. Der Bote und sein Bruder bauten 2005 ein riesiges Haus in der Nähe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, am Rande einer Stadt mit dem Namen Abbottabad, wo überwiegend wohlhabende Militärs wohnen.

Die amerikanischen Verfolger wurden argwöhnisch. Woher hatten die Brüder das viele Geld? Das neue Haus war achtmal so groß wie die benachbarten Gebäude. Eine mit Stacheldraht bewehrte, fast sechs Meter hohe Außenmauer schützte es. Im Inneren trennen wiederum Mauern die einzelnen Quartiere. Es gab kaum Fenster an den Außenwänden, kein Telefon, keinen Internetzugang.

Der Verdacht kam auf, dass dort Menschen versteckt werden sollten. Im August 2010 war man sich fast sicher. Militärs entdeckten, dass dort Menschen waren, die nahen Verwandten bin Ladens zum Verwechseln ähnlich sehen, darunter auch seine jüngste Frau. Man glaubte, den Terrorchef endlich aufgespürt zu haben.

Im vergangenen August wurde Obama über die sich verdichtenden Beweise informiert, im Februar 2011 waren sich die Sicherheitsexperten fast sicher, am Freitag, den 28. April gab der Präsident den Angriffsbefehl.

Doch die Aktion war schwierig. Das ehemals einsame Gehöft hatte inzwischen viele Nachbarn. Man wollte keine unnötigen zivilen Opfer verursachen. Deshalb machte sich nur ein kleines Team amerikanischer Elitekämpfer mit Hubschraubern auf den Weg. Einer der Hubschrauber stürzte wegen eines mechanischen Schadens ab. Nur 40 Minuten dauerte der Einsatz auf dem Gehöft. Es gab ein kurzes, heftiges Feuergefecht.

Es heißt, bin Laden habe sich gewehrt und sei mit einem Kopfschuss niedergestreckt worden. Kein Zweifel: den Amerikanern ist ein toter bin Laden weit lieber als ein gefangener, der für seine Anhänger schnell zum Märtyrer werden könnte.

Am Ende der Operation waren anscheinend sechs Leute tot: Osama bin Laden, sein ältester Sohn, zwei Boten sowie eine Frau, die Terroristen angeblich als Schutzschild benutzten. Die amerikanische Kampfeinheit kehrte unverletzt zurück, im Gepäck hatte sie den Leichnam Osama bin Ladens.

Was Clinton und Bush nicht gelang, ist Barack Obama gelungen. Natürlich gehörte eine große Portion Glück dazu. Aber von Anfang an hat Obama seinem CIA-Chef Panetta die Order mit auf den Weg gegeben, alles zu tun, um bin Laden aufzuspüren: "Das ist unser vorrangiges Ziel."

Die Geheimdienste, das US-Militär und das Weiße Haus hielten über Monate dicht, nichts davon drang nach Außen. Obamas Sicherheitsapparat funktioniert weit besser als vermutet, gestehen sogar die Gegner ein.

Immer wieder hat Obama seinen Vorgänger Bush dafür kritisiert, über den Irakkrieg die Jagd auf bin Laden vernachlässigt und vergessen zu haben. Die Prioritäten, so Obama, seien falsch gesetzt worden. Noch bevor er am Sonntagabend zu seinem Volk redete, rief Obama Bush und Clinton an, um ihnen die frohe Botschaft zu verkünden. Beide gratulierten.

Es ist allmählich Wahlkampf in Amerika. Obama befindet sich wegen der hohen Arbeitslosigkeit im Meinungstief. Das könnte sich nun ändern. "Obama fängt Osama", rufen Amerikaner euphorisch. Überschwänglich skandieren sie den alten Obama-Wahlslogan: "Yes, we can!" Und sie singen: "We won the war!"

Ob der Krieg gegen Al Qaida tatsächlich gewonnen wurde, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen müssen. Möglich, dass die Nummer zwei, al-Zwahiri, das Zepter übernimmt und zu neuen Angriffen ruft. Möglich auch, dass mit dem Ende bin Ladens auch der Terror ein allmähliches Ende findet. Es bleibt auch abzuwarten, welche Auswirkungen dieser Erfolg auf den Krieg in Afghanistan und die islamistischen Taliban haben wird.

Doch jetzt ist es erst einmal die wohl glücklichste Stunde des 44. Präsidenten und er wusste sie zu nutzen. Es herrscht heftiger innenpolitischer Streit über die horrende Verschuldung Amerikas. Aber am Sonntagabend plädierte Obama dafür, eindringlich innezuhalten und im Angesicht dieses Erfolges zu neuer Geschlossenheit zu finden. So wie es in den Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September war.

"Osama bin Laden ist Gerechtigkeit widerfahren," sprach der Präsident und ist sich darin mit allen Amerikanern einig. (Quelle: ZEIT ONLINE)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false