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Politik: Tod vor den Augen der Gläubigen

Paris - Das Drama ereignete sich gegen 20 Uhr 45 während des Abendgebets: Frère Roger, Gründer und Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, ist am Dienstagabend von einer möglicherweise geistig gestörten Frau erstochen worden. Nach Angaben der Polizei ist es der Frau gelungen, sich an den Geistlichen heranzuschleichen.

Paris - Das Drama ereignete sich gegen 20 Uhr 45 während des Abendgebets: Frère Roger, Gründer und Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, ist am Dienstagabend von einer möglicherweise geistig gestörten Frau erstochen worden. Nach Angaben der Polizei ist es der Frau gelungen, sich an den Geistlichen heranzuschleichen. Vor den Augen der etwa 2500 Gläubigen versetzte sie ihm drei Messerstiche in den Rücken. Trotz schneller Hilfe erlag Frère Roger zehn Minuten später seinen schweren Verletzungen. „Ich sah das Blut auf Frère Rogers Kutte, dann hörte ich Schreie. Panik brach aus, und wir eilten alle in Richtung Ausgang”, sagte der sichtlich erschütterte Student Thibaut aus Lyon.

Die Täterin, eine 36-jährige Rumänin mit dem Vornamen Luminita, ließ sich von der Polizei widerstandslos festnehmen. Sie wurde am Mittwoch vom Staatsanwalt im nahe gelegenen Tournus verhört. Nach den Angaben von Staatsanwalt Jean-Louis Coste hat die Frau Aufmerksamkeit erzeugen, Frère Roger aber nicht töten wollen. Sie habe lediglich mit dem Geistlichen sprechen wollen, sei aber wegen der vielen Menschen nicht zu ihm vorgedrungen, habe die Frau weiter erklärt. Ob die Frau schuldfähig sei, sei noch fraglich, sagte der Staatsanwalt. Erste Untersuchungen hätten jedenfalls keine ausreichenden Gründe für eine Einweisung in die Psychiatrie ergeben. Auf seiner Pressekonferenz am Mittwoch erklärte der Staatsanwalt weiter, die Angreiferin habe bereits am vergangenen Montag ein Messer gekauft. Dies lasse „vielleicht“ auf Vorsatz schließen, so Staatsanwalt Coste weiter.

Im burgundischen Taizé herrschten Trauer und Bestürzung unter den Gläubigen. „Wir stehen alle unter Schock. Niemand kann sich diese Tat erklären”, sagte beispielsweise eine Ordensschwester. Die Priester und Nonnen hätten den Gläubigen – es sind vor allem junge Menschen – die ganze Nacht geistlich und psychologisch beigestanden. „Wir haben bis zur Dämmerung für Frère Roger gebetet”, erklärte die 22-jährige Juliette.

Der Schweizer Frère Roger, selbst Protestant, war in Frankreich sowohl bei Katholiken als auch bei der protestantischen Minderheit hoch angesehen. Der Vorsitzende des protestantischen Bundes Frankreichs, Jean-Arnold de Clermont, sprach Frère Roger seine Dankbarkeit aus. Staatspräsident Jacques Chirac sagte, Frère Roger habe sein Leben lang eine Botschaft von Frieden und Dialog vermittelt.

Guillaume Decamme

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