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Politik: Tomaten in der Terrorfahndung

Die EU will Warentransporte strenger kontrollieren – das könnte Folgen für Billigkräfte haben

Berlin - Der Supermarkt und die Warentransporte dorthin geraten ins Visier der Terrorfahnder. „Der Europäische Rat hat den Verkehr als einen Schlüsselbereich der Terrorismusbekämpfung eingestuft“, sagt der Vizepräsident der Europäischen Kommission für Transportfragen, Jacques Barrot. Und da es bisher keine Vorschrift gibt, wie Waren sicher vom Erzeuger zum Endverbraucher gelangen, soll dies nun geregelt werden.

Ein kühnes Unterfangen: Deutsche Behörden schaffen es aus Personalnot bisher nicht, Lebensmittelkontrollen so durchzuführen, dass keine verdorbene Ware in die Läden kommt – und nun soll der Verbraucher vor terroristischen Angriffen auf Warentransporte geschützt werden?

Die Europäische Kommission hat ein Gesetz entworfen, dass die Zertifizierung von sogenannten „sicheren Unternehmen“ gewährleisten soll, zunächst auf freiwilliger Basis. Von 2011 an sollen dann alle Firmen, die nicht als „sicheres Unternehmen“ eingestuft wurden, Nachteile beim Zoll erleiden und häufiger kontrolliert werden. „Alles Humbug“, kritisiert Tina Sommer von der Allianz Kleiner Unternehmen (ESBA) die Initiative. Sie befürchtet hohe Kosten und Wettbewerbsnachteile. „Mehr Sicherheit wird dies nicht bringen“, meint auch Bertil Dahlin von der Transportarbeitergewerkschaft IRU. Wie sollen illegale Schwarzarbeiter aus der Ukraine beim Tomatenpflücken und –verladen überwacht werden? Genau dies aber wäre nötig, falls man den EU-Vorschlag wörtlich nähme. Und genau dies würde auch Forderungen erfüllen, die Gewerkschaften seit langem erheben: Wirksame Gesetze und Kontrollen gegen Lohndumping zum Beispiel. Denn jeder Sicherheitsexperte weiß: Nicht hohe Zäune schützen ein Unternehmen vor Diebstahl, sondern fair entlohnte Mitarbeiter. Übermüdete Lkw- Fahrer, die europäische Straßen unsicher machen, würden ebenso der Vergangenheit angehören wie Subsub-Unternehmer, für die Arbeitsschutz ein Fremdwort ist. Lebensmittelpanscherei, Genreis – alles ausgeschlossen, wenn der Antiterrorismusentwurf tatsächlich umgesetzt würde. Denn solche Arbeitgeber und Arbeitnehmer wären ja Schwachstellen im System, anfällig für Avancen nicht nur normaler Krimineller, sondern auch von Terroristen und dürften somit dazu führen, dass solche Firmen nicht als sichere Unternehmen zertifiziert würden.

Würde der EU-Vorschlag Gesetz, müsste es eine Sicherheitsüberprüfung für Ein-Euro-Jobber im Supermarkt geben. Damit würde sich der Einsatz von Billigkräften nicht mehr lohnen. Es geschähe etwas Ähnliches wie bei Jobs auf See. Jahrelang hatten Interessenvertreter von Schiffsbesatzungen besseren Schutz gegen Piratenüberfälle und sichere Arbeitsbedingungen gefordert – vergeblich. Doch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verlangten die USA Maßnahmen gegen potenzielle Terroranschläge auf See. Die International Maritime Organization IMO verabschiedete Maßnahmen, um die Seeleute vorher vergebens gerungen hatten. Auf See nahm eigentlich auch die jetzige Initiative ihren Ursprung. Denn Sicherheitsexperten bemängelten die IMO-Maßnahmen als lückenhaft. Häfen als Sperrgebiete verhinderten nicht, dass Terroristen, Bomben oder andere gefährliche Güter per Container in die Häfen gelangten. Also wurde die Schiffsklassifizierungsgesellschaft Det Norske Veritas beauftragt, eine Risikoanalyse zu machen. DNV kam 2005 zum Ergebnis, in der Tat dürfte nicht erst im Hafen mit Sicherheitsmaßnahmen begonnen werden, sondern bereits die Anfahrt müsse mit ins Blickfeld genommen werden, besonders bei gefährlichen Gütern. Der Entwurf sieht Zugangskontrollen vor, eine Identifizierung aller Beschäftigten, Besucher und Geschäftspartner sowie weitere Maßnahmen.

Die amerikanische Handelskammer begrüßte den Vorschlag, während kleinere deutsche Firmen fordern, ihn zu überarbeiten. Jetzt müssen der EU-Rat und das Europäische Parlament den Vorschlag der Kommission diskutieren und darüber befinden.

Susanne Härpfer

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