zum Hauptinhalt

Totenschändung: "Ein schlechtes Gewissen hatten alle"

Erstmals hat sich ein Beteiligter zu den näheren Umständen der Totenschändung durch Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan geäußert. Wenn ein Soldat nicht mitgemacht habe, sei er schon mal als "Weichei" bezeichnet worden.

Berlin - Der 2003 geschändete Totenschädel stamme nicht von einem Friedhof. Vielmehr müsse man sich das Gelände vorstellen "wie eine große Kiesgrube", sagte der Zeuge, der anonym bleiben wollte, der "Bild"-Zeitung. Dort hätten Einheimische Lehm für Ziegel abgegraben - "dabei kamen diese ganzen Knochen raus".

Auf die Frage, ob es bei der Schändung eine Art Gruppenzwang gegeben habe, antwortete der Zeuge: "Zwang würde ich nicht sagen. Aber es war schon so: Wenn man das nicht mitmacht, heißt es: Du Weichei, was stellst du dich so an." Auch Afghanen, die in der Grube Lehm für ihre Häuser geholt hätten, hätten "regelmäßig das Zeug umeinandergeworfen". Da die Einheimischen das nicht "als besonders schlimm" empfunden hätten, habe sich die Patrouille "auch nicht weiter etwas dabei gedacht".

Als Grund für den empörenden Vorfall vermutet der Zeuge, dass durch den Einsatz in Afghanistan auch "die Hemmschwelle" heruntergesetzt gewesen sei. Es zerre an den Nerven, wenn sowohl Leute von der eigenen Armee als auch von den alliierten Truppen regelmäßig verletzt werden oder sterben. Zu seinen eigenen Empfindungen betonte er: "Dumm gelaufen, Blödsinn gemacht. Sollte man nicht tun. Ich hätte es besser damals auch nicht getan. Oder wäre besser nicht mit dabei gewesen." Er fügte hinzu: "Ein schlechtes Gewissen, denke ich, hatten sie alle."

Generalinspekteur spricht von Einzelfällen

Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhahn spricht auch angesichts neu aufgetauchter Fotos von mit Totenschädeln posierenden Bundeswehrsoldaten in Afghanistan weiter von Einzelfällen. "Es sind Einzelne, die eben fehlgeleitet sind und nicht verstanden haben, um was es geht", sagte Schneiderhahn am Donnerstag in der Fernsehsendung "RTL aktuell". Er glaube nicht, dass diese Taten in ein ganzes Einsatzkontingent hineingewirkt haben. Der Sender zeigte Fotos, auf denen unter anderem ein Unteroffizier einen Schädel küsst, der auf dem Bizeps seines Oberarms liegt. Auf einem weiteren Bild war eine aus fünf Totenköpfen aufgeschichtete Pyramide zu sehen. Nach RTL-Angaben wurden die Fotos offensichtlich im März 2004 aufgenommen.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), hat mit Enttäuschung auf die Vorfälle in Afghanistan reagiert. Alle Soldaten würden intensiv auf ihre Einsätze vorbereitet, sagte Robbe am Donnerstag im ZDF-"heute journal". Deswegen wüssten eigentlich auch alle, dass das Grundgesetz auch in den Einsatzgebieten der Bundeswehr gelte. Die Taten hätten nichts mit der "vernünftigen Arbeit" von 99,9 Prozent der deutschen Soldaten in aller Welt zu tun. Es müsse geklärt werden, was versäumt und wie der Stoff im Unterricht vermittelt worden sei. In den ARD-"Tagesthemen" fügte Robbe hinzu, trotz der neuen Fotos müsse weiterhin von Einzelfällen ausgegangen werden. Der Wehrbeauftragte verwies darauf, dass bisher über 200.000 deutsche Soldaten im Ausland eingesetzt gewesen seien und derzeit 10.000 Bundeswehrangehörige dort Dienst täten. Jetzt müsse untersucht werden, ob die Soldaten ausreichend politisch und moralisch auf die Einsätze vorbereitet worden seien. (Von Gerhard Kowalski, ddp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false