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Politik: Transparenter, gerechter, einfacher

Stiftung Marktwirtschaft erarbeitet ein neues Steuersystem – die meisten Ausnahmen sollen verschwinden

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bis zum Jahresende wollen sich die 70 Experten der Stiftung Marktwirtschaft noch Zeit lassen mit der Erarbeitung eines ganz konkreten Gesetzeswerkes. Dann aber soll der neu gewählten Bundesregierung eine Vorlage übergeben werden, mit der das deutsche Steuerrecht grundsätzlich erneuert werden kann. Nicht alles soll dann anders, aber vieles transparenter, gerechter, leichter verständlich werden. Schon zum 1. Januar 2007 könne die Strukturreform umgesetzt werden, sagte der Vorsitzende der Kommission aus Wissenschaft, Politik, Verbänden und Verwaltung, Joachim Lang, am Dienstag. „Unser Vorschlag ist realistisch.“ Die dann regierenden Parteien, ganz gleich welcher politischen Richtung, müssten nur noch die Höhe der Steuersätze festlegen.

Die Experten wollen das Einkommensteuersystem von einer ganzen Reihe von Ausnahmen und Sonderregelungen befreien. Wer nur Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit bezieht, soll in Zukunft vom Finanzamt einen ausgefüllten Steuerbescheid erhalten, ihn prüfen und zurückschicken können. Oberstes Gebot der Experten: Das geltende so genannte Nettoprinzip darf nicht gekippt werden. Wer also in Zukunft Geld ausgibt, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, der soll diese Ausgaben auch weiterhin steuermindernd ansetzen können. Pendlerpauschale, nicht versicherte Krankenkosten und das häusliche Arbeitszimmer sollen als pauschalierte Kosten also erhalten bleiben. Genau, wie das Ehegattensplitting, das die Experten zum Familienrealsplitting erweitern und um die Absetzbarkeit auch von Unterhaltsleistungen erweitern wollen. Dennoch ist den Steuerrechtlern wichtig: Klientelpolitik hat im künftigen Steuersystem nichts zu suchen, Begünstigungen Einzelner, wie etwa bei der Steuerfreiheit von Feiertags- und Nachtarbeit oder beim Eigenheimbau müssen fallen. Allerdings nur in dem Maße, wie die Steuerzahler durch Steuersenkungen entlastet werden. „Die Bürger dürfen nicht das Gefühl haben, der Staat greift ihnen in die Tasche“, sagte Lang.

Im Bereich der Unternehmensbesteuerung schlagen die Experten eine so genannte „allgemeine Unternehmenssteuer“ vor, die keinen Unterschied mehr zwischen den in Deutschland gerade im Mittelstand verbreiteten Personengesellschaften und den Körperschaften macht. Empfohlen wird ein einheitlicher Steuersatz auf die im Unternehmen verbleibenden Gewinne von 25 Prozent, wobei darin bereits (rund sechs Prozent) Kommunalsteuer enthalten sind. Entnommene Gewinne – also der Unternehmerlohn – sollen dann mit dem persönlichen Steuersatz nachversteuert werden. Damit kleine Unternehmen, deren Gewinn heute niedriger besteuert wird, keinen Nachteil erleiden, plant die Kommission für sie noch Sonderregelungen. „Niemand soll höher belastet werden als jetzt“, sagte die Düsseldorfer Steuerrechtlerin Johanna Hey.

Wesentliches Element der Strukturreform der Stiftungsexperten ist die Abschaffung der Gewerbesteuer. Sie sei artfremd im deutschen System, weil sie gewinnunabhängige Faktoren besteuere, und sie sei schädlich für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, meinen die Experten. Damit die Kommunen eigene Steuern behalten, soll das heutige Gewerbesteuersystem aufkommensneutral umgebaut werden. Anders als gegenwärtig werden dann nicht nur Unternehmen sondern auch Bürger und Selbstständige Kommunalsteuern zahlen, dafür allerdings von der Einkommensteuer entlastet. Funktionieren soll das bei den Bürgern etwa durch eine Senkung der geltenden Einkommensteuersätze um rund drei Prozent. Diese drei Prozent zahlen die Bürger dann an ihre Wohnsitzkommune – oder auch mehr, wenn im Rathaus eine Steuererhöhung beschlossen wurde. Eine Bürgersteuer, deren Ziel eine größere Nähe von Steuerbürgern und Kommunalpolitik sein soll.

Neben der rund sechsprozentigen Unternehmens-Gewinnsteuer an die Kommunen, in denen die Betriebsstätten liegen, sehen die Experten eine zweiprozentige Beteiligung der Kommunen an der Lohnsteuersumme aller Arbeitgeber zur Finanzierung der Städte und Gemeinden vor. Bis zum Winter regeln wollen die Experten auch die Besteuerung von Kapitaleinkünften und die Behandlung von Einkünften zur Zukunftssicherung. Erwartungen an ein schlankes Gesetzeswerk wiesen sie allerdings zurück. Die Komplexität der Realität könne nicht auf einer Din-A-4-Seite abgebildet werden, sonst träfen sich Steuerzahler und Finanzbehörden wieder reihenweise vor Gericht – so, wie es jetzt bereits ist.

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