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Nicolas Sarkozy und Angela Merkel

© Afp

Treffen Merkel - Sarkozy: Europäische Tagesordnung im Schnelldurchlauf

Die Kanzlerin und der französische Präsident wollen die anderen EU-Staaten für einen Fiskalpakt begeistern. Doch nicht alle finden die Idee gut. Worum ging es bei dem Gespräch im Kanzleramt?

Unter dem Eindruck neuer Hiobsbotschaften aus Griechenland haben Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am Montag in Berlin den EU-Gipfel vorbereitet. Er soll Ende Januar weitere Fortschritte bringen, damit die europäischen Staaten das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen.

Fiskalpakt
Die meisten wollen mitmachen
So viel ist sicher: Großbritannien wird beim neuen europäischen Fiskalpakt, mit dem sich die beteiligten Staaten zu einem eisernen Sparkurs verpflichten wollen, nicht mitmachen. Beim letzten EU-Gipfel im Dezember hatte der britische Regierungschef David Cameron das Vorhaben von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) torpediert, den geplanten Pakt im Kreis aller 27 EU-Staaten auszuhandeln. Am Montag traf sich Merkel mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy im Kanzleramt und zog dabei auch eine Zwischenbilanz zu den bereits angelaufenen Verhandlungen über den Fiskalpakt, der nun wegen des britischen Vetos als zwischenstaatlicher Vertrag zu Stande kommen soll. Bereits beim nächsten EU-Gipfel am 30. Januar, spätestens aber im März könne die Vereinbarung über den neuen Fiskalpakt stehen, erklärte die Kanzlerin.
Wie viele EU-Länder sich dabei dazu verpflichten wollen, Schuldenbremsen in ihren Verfassungen zu verankern und quasi-automatische Sanktionen gegen Defizitsünder mitzutragen, ist noch offen. Angestrebt wird zunächst einmal, dass alle 17 Euro-Länder mitmachen. Schwierigkeiten könnten sich dabei allerdings in Irland auftun, falls dort zusätzlich eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert würde. In diesem Fall könnte ein Referendum über den Fiskalpakt auf der Grünen Insel nötig werden – mit ungewissem Ausgang. Auch im Euro-Mitgliedstaat Finnland gibt es Bedenken gegen einen möglichen Transfer von Hoheitsrechten an die EU. Neben den Ländern, die über die Gemeinschaftswährung verfügen, könnten sich zudem maximal neun Nicht-Euro-Staaten dem Fiskalpakt anschließen. Allerdings gibt es auch hier Vorbehalte. So pocht Ungarns Regierungschef Viktor Orban darauf, dass das Parlament in Budapest in die Entscheidung eingebunden werden muss. Auch Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt ließ schon während des EU-Gipfels im Dezember seine Skepsis angesichts des geplanten Paktes erkennen. Und in Tschechien will Regierungschef Petr Necas die Details der Vereinbarung abwarten, bevor er über eine mögliche Zustimmung entscheidet.

Griechenland
Merkel spricht von „Sonderfall“
Die Probleme des alten Jahres bleiben auch 2012 aktuell. Zu dieser Einsicht konnten Merkel und Sarkozy auch während ihres Treffens im Kanzleramt gelangen. Denn während sie in Berlin tagten, wandte sich der griechische Regierungssprecher Pantelis Kapsis im griechischen Fernsehen mit einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit „Wir müssen jetzt handeln. Wir haben keine Zeit mehr“, sagte er und forderte seine Landsleute auf, sich auf noch drastischere Einschränkungen gefasst zu machen. Die Geldgeber Griechenlands, deren Auflagen von der „Troika“ aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) formuliert werden, fordern weitere Einschnitte. Dazu zählen offenbar eine Verkleinerung des öffentlichen Dienstes um 150 000 Beschäftigte bis zum Jahr 2015, eine Kürzung der Gehälter um 20 Prozent in der Privatwirtschaft und die Abschaffung des Mindestlohnes von 751 Euro. Die Aufforderung des griechischen Regierungssprechers, die Forderungen der Troika zu erfüllen und den Gürtel noch enger zu schnallen, hatte ihren guten Grund: Am Wochenende war ein Papier des IWF bekannt geworden, dem zufolge auch die bisherigen EU-Beschlüsse zur Griechenland-Rettung nicht ausreichend sein werden. Auch Merkel und Sarkozy machten keinen Hehl daraus, dass die Lage weiterhin ernst ist. Die Kanzlerin sprach mit Blick auf die Schieflage Griechenlands von einem „Sonderfall“ innerhalb der Euro-Zone, erklärte aber gleichzeitig: „Wir wollen, dass Griechenland im Euro-Raum bleibt.“ Allerdings müsse das Mittelmeerland den Verpflichtungen der Troika nachkommen, betonte die deutsche Regierungschefin. Sarkozy bemühte hingegen eine etwas eindringlichere Rhetorik, um die Ansteckungsgefahren zu beschreiben, die von Griechenland für den Rest der Euro-Zone ausgehen. „Die Situation ist angespannt – vielleicht wie noch nie in der Euro-Zone“, sagte der französische Staatschef.

Warum Sarkozy vorangehen will und wo der Präsident und die Kanzlerin auf einen Lerneffekt setzen

Viel zu besprechen: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy.
Viel zu besprechen: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy.

© AFP

Finanztransaktionssteuer
Sarkozy will vorangehen
Am vergangenen Freitag hatte Sarkozy seine europäischen Partner mit der Nachricht überrascht, er wolle bis Ende des Monats darüber entscheiden, ob sein Land die Steuer auf Finanzgeschäfte notfalls im Alleingang einführen werde. Mit der Steuer könnten der Hochfrequenzhandel, der zu erheblichen Börsenschwankungen führen kann, und Spekulationen gegen einzelne Euro-Staaten eingedämmt werden. In Berlin bekräftigte Sarkozy, dass sich Frankreich bei der Einführung der Steuer an einem Vorschlag der EU-Kommission orientieren wolle. Danach sollen Geschäfte mit Aktien und Anleihen mit einem Steuersatz von 0,1 Prozent belegt werden, beim Derivatehandel sollen 0,01 Prozent fällig werden. Die EU-Kommission strebt zudem an, dass die Milliardeneinnahmen, die durch die Finanztransaktionssteuer hereinkommen sollen, zwischen der Brüsseler Behörde und den Mitgliedsländern aufgeteilt werden. Mit seiner Ankündigung hat der Präsident unter seinen Landsleuten nun die Erwartung hochgeschraubt, dass die Steuer zumindest in Frankreich eingeführt werden könnte. Auch Frankreichs Opposition steht grundsätzlich hinter dem Vorhaben, kann sich aber eine gewisse Häme gegenüber Sarkozy nicht verkneifen. So sprach die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten, Ségolène Royal, am Montag von einem „Bluff“ Sarkozys, weil der französische Staatschef nach ihrer Meinung schon viel früher hätte Nägel mit Köpfen machen sollen. Dennoch befürwortete sie die Einführung der Steuer auf Finanzgeschäfte. Allerdings gab Ségolène Royal zu bedenken, dass ein Alleingang Frankreichs wenig Sinn ergebe, „weil die Finanzwelt globalisiert ist“.

Wachstum und Arbeitsplätze
EU-weiter Lerneffekt soll ausgelöst werden
Beim nächsten EU-Gipfel Ende des Monats wollen die Staats- und Regierungschefs in erster Linie darüber beraten, wie das Wachstum in den EU-Staaten wieder angekurbelt werden kann. In den EU-Staaten wird nicht nur konsequent gespart, sondern es sollen auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden – das ist die Botschaft, die sich Merkel, Sarkozy und Co. vom nächsten Gipfel erhoffen. Im Sinne eines EU-weiten Lerneffektes hätten Deutschland und Frankreich vorgeschlagen, eine Übersicht über die unterschiedlichen gesetzlichen Arbeitsmarkt-Regelungen in der EU zu erstellen, sagte die Kanzlerin. Sarkozy ist auf wirtschaftliches Wachstum dringend angewiesen, wenn er seine Chance wahren will, im Frühjahr erneut zum Präsidenten gewählt zu werden. Die ökonomischen Vorzeichen sind denkbar schlecht: Vergangene Woche meldete das französische Statistikamt Insee, dass die Laune der Verbraucher im Lande im Dezember unverändert schlecht gewesen sei.

Bereits im vergangenen Monat hatte Insee festgestellt, dass Frankreich im letzten Quartal 2011 in die Rezession gerutscht ist. Auch für das erste Quartal 2012 wird ein leichter Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,1 Prozent vorhergesagt. Die Arbeitslosenquote könnte in diesem Jahr die Zehn-Prozent-Marke überschreiten – das wäre eine desaströse Bilanz für Sarkozy. Merkel kann die Wachstums-Diskussion hingegen entspannter angehen. Zwar wird auch die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung des DIW-Instituts im laufenden Jahr nur um 0,6 Prozent wachsen. Dennoch wird erwartet, dass sich am deutschen Beschäftigungs-Boom nichts ändert – die Arbeitslosenquote betrug 2011 im Schnitt 7,1 Prozent.

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