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Begrenzte Abschiebehaft kann eine Maßnahme gegen Terror sein. Gänzlich beherrschbar ist das Problem aber nicht.

© Patrick Pleul/dpa

Treffen von de Maizière und Maas: Wir werden nicht alle "Gefährder" kontrollieren können

Die Diskussion um Fußfesseln und Abschiebehaft ist hilfreich - aber wirksamer gegen Terror dürften stille Maßnahmen sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Schutz vor terroristischen Attacken zu bieten würde Deutschland sicher leichter fallen, wäre es allein auf der Welt. Aber da gibt es auch Europa und zudem jene Länder, aus denen potenzielle Attentäter stammen oder eingereist sind. Verweigern sie die Zusammenarbeit oder kooperieren nicht so, wie es wünschenswert wäre, wird es schwierig mit dem konsequenten Rausschmiss der sogenannten Gefährder. Die Bundespolizei kann sie am Zielflughafen nicht einfach ans Gepäckband stellen.

Hier Fortschritte zu erreichen, dürfte eine der mittelfristig wirksameren Möglichkeiten sein, um die Bundesrepublik sicherer zu machen, nur: Dafür braucht es leise Töne und Diplomatie. Nichts, wo der starke Staat mit kräftiger Faust auf den Tisch haut. Nichts also, mit dem erregte Gemüter zu beruhigen wären, die fest davon überzeugt sind, mit wahlweise einer neuen Regierung, radikalen Gesetzen oder der Abschaffung von Grundrechten ließen sich Taten wie die in Berlin verhindern.

Vielleicht gelingt dies aber den Maßnahmen, auf die sich die Koalition mit ihren exekutiven Spitzen absehbar verständigen könnte. Dazu zählen die erweiterte Anwendung der Fußfessel sowie niedrigere Hürden bei der Abschiebehaft. Wie es aussieht, ist die Politik ehrlich genug, diese kleinen Lösungen nicht als große zu verkaufen. Der Justizminister spricht selbst davon, dass mit den Peilsendern kein Attentäter davon abgehalten wird, seine scheußlichen Pläne ins Werk zu setzen. Doch immerhin, es gibt etwas mehr Kontrolle. Welche neuen Vorschriften zur Festsetzung ausreisepflichtiger Gefährder ohne Papiere angeboten werden, bleibt abzuwarten. Hier klafft eine Lücke, die geschlossen werden muss. Zwar spricht einiges dafür, dass die Behörden im Fall Amri, auch aufgrund fehlerhafter tatsächlicher Einschätzungen, ihre Befugnisse nicht ausgereizt haben. Aber die Bundesrepublik kann ein Sicherheitsnetz brauchen, wenn sie von den jeweiligen Rücknahmestaaten im Stich gelassen wird.

Deutschland lebt mit der Bedrohung, im Kriegszustand ist es nicht

Die anstehende Diskussion der Vorhaben hat einen politischen Vorteil: Der Gesetzgeber wird näher zu beschreiben haben, welcher Gefährder ein echtes Risiko darstellt und welche Gefahren von ihm ausgehen müssen, um seine Freiheitsrechte verfassungsmäßig beschränken zu können. Die behördlich eingeübte und in der Öffentlichkeit vielfach aufgenommene Redeweise von Gefährdern täuscht eine Beherrschbarkeit des Problems vor, die es tatsächlich nicht gibt.

Hier liegt ein Grund für viele wütende Reaktionen, in denen ein „Staatsversagen“ angeprangert wird. Es ist schwer vermittelbar, einerseits als solche erkannte Gefährder unter strenge Beobachtung zu nehmen, während andererseits sichtbar nichts geschieht, um die Gefährdung auszuschalten. So war es bei Anis Amri, und so könnte es auch sein, wenn, was gute Mächte verhindern mögen, nach einem Selbstmordanschlag auf deutschem Boden in den Trümmern eine elektronische Fußfessel gefunden werden sollte.

Es gibt in der Tat keine Alternative dazu, als solche Spannungen auszuhalten – und gleichzeitig alle Maßnahmen zu ergreifen, die rechtsstaatlich möglich und wirksam sind, um Terroristen unschädlich zu machen, ob durch Abschiebung oder begrenzte Abschiebehaft. Deutschland lebt seit vielen Jahren mit der Bedrohung. Aber in einem Kriegszustand ist es nicht.

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