zum Hauptinhalt

Treffen zur Finanzkrise: Brown und Sarkozy machen Druck auf Merkel

Heute treffen sich Gordon Brown und Nicolas Sarkozy in London, um eine Allianz für die Bekämpfung der Finanzkrise zu schmieden. Angela Merkel ist nicht eingeladen. Einer der Gründe für ihre Außenseiterrolle: Sie hat etwas, von dem ihre Nachbarn nur träumen können.

Manche sprechen in Paris von einer Umzingelung Deutschlands vor dem EU-Gipfel: Erst suchte Nicolas Sarkozy den Schulterschluss mit den ostmitteleuropäischen Ländern für einen Klima-Kompromiss, dem sich Deutschland nicht mehr entziehen könne. Und dann flog der EU-Ratspräsident am Montag nach London, um mit Premierminister Gordon Brown eine entsprechende Allianz bei der Krisenbekämpfung zu schmieden. Klima- und Konjunkturpaket sind die zentralen Themen des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag.

Das Treffen Brown-Sarkozy erhöht den Druck auf Berlin, für die Konjunktur den Geldhahn weiter aufzudrehen. Fast trotzig erklärt der Berliner Regierungssprecher Thomas Steg: "Wer auch immer sich trifft, der tut das in dem klaren Bewusstsein, dass ohne Deutschland nichts geht." Dabei läuft die Konjunkturpolitik von Paris und Berlin erstaunlich parallel. Beide legen Zwei-Jahres-Programme in der Größenordnung von 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf. Beide zielen vor allem auf die Infrastruktur und Liquidität und vermeiden möglichst langfristige Mehrausgaben. Und - beide warten vor weiteren großen Schritten auf den künftigen US-Präsidenten Barack Obama.

Es hilft nichts. Der Élyséepalast streut, Angela Merkel müsse man zum Jagen tragen. Die linke "Libération" bescheinigt der Kanzlerin einen "isolationistischen Kurs" und der konservative "Figaro" äußert gar sein "Erschrecken über die große Kehrtwende der deutschen Politik". Das "deflationistische und konservative germanische Europa" mit "Deutschland und seinen Satelliten" Polen und Tschechien stemme sich gegen den Konsens, der von Washington über Moskau, Rom, London und Madrid bis Paris reiche, meint das regierungsnahe Blatt.

Deutschland will nicht für die "Verschwender" zahlen

Paris und London machen Druck auf Berlin, weil Deutschland etwas besitzt, was sie nicht haben: Spielraum im Haushalt. Die große Koalition hat es geschafft, das Defizit praktisch auf null zu fahren, während Sarkozy und Brown vor großen Haushaltslöchern stehen. Doch die "tugendhaften" Deutschen wollen nicht für die "Verschwender" in der EU einspringen. Jeder Vorschlag aus Paris oder Brüssel laufe "im Zweifelsfall darauf hinaus, dass die Deutschen zahlen", sagt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.

Auch London sei "enttäuscht, dass Deutschland keine aggressiveren Konjunkturimpulse gebe", schreibt der "Guardian". Als Grund für Merkels Knauserigkeit vermuteten britische Minister die "persönliche Feindseligkeit" zwischen ihr und Sarkozy, schreibt das Londoner Blatt. Doch aus deutschen Kreisen heißt es, Berlin wolle sich auch nicht von Brown die Richtung diktieren lassen, der einst Merkel die Vorzüge der freien Finanzmärkte pries und als Finanzminister den Gang der Banken in die Pleite nicht kommen sah.

Der Berliner Geldhahn bleibt also zu. Jedenfalls bis Weihnachten. Am 5. Januar wird die große Koalition die Lage analysieren und im Februar oder März dürfte sie nach Pariser Einschätzung ein neues Konjunkturpaket auflegen. Frankreich werde dann ebenfalls nachlegen, meint Sarkozys Reformvordenker Jacques Attali.

Sarkozy ernennt "Minister für die Wiederankurbelung der Wirtschaft"

Denn vom 20. Januar an ist Obama in den USA am Ruder. Und er wird immensen Druck machen, dass die Europäer sein Konjunkturprogramm mit weiteren Milliarden unterstützen. Bis dahin, meinen Experten, wollen Berlin und Paris ausreichend Pulver für ein neues Ausgabenfeuerwerk trocken halten. Sarkozy bereitet sich auf alle Eventualitäten vor und hat seinen "Leutnant" Patrick Devedjian zum "Minister für die Wiederankurbelung der Wirtschaft" gemacht.

Gemeinsam mit Brown hält er aber den Druck auf Berlin aufrecht. Nur Deutschland mit seinem starken Außenhandel könne in Europa eine starke Konjunkturlokomotive sein, heißt es im Élyséepalast. Dass die Bundesregierung "ihren Spielraum nicht nutzt", führt man in Paris auf den Vorwahlkampf in Deutschland zurück. Merkel habe ihre Kampagne auf die Haushaltskonsolidierung aufbauen wollen. Und die SPD setze wegen der starken Konkurrenz der Linken auf ein neues Bündnis mit Merkel.

Die "Figaro"-Edelfeder Alexandre Adler spricht von einer "völligen Anpassung der SPD an die Konservativen der CDU", weil der "rechte SPD-Flügel um Steinbrück" dafür sorgen wolle, dass "die Große Koalition erneuert wird". Deshalb gebe es "das doppelte Risiko eines Erdbebens in der deutschen Politik und eines Bruchs in der Euro-Zone".

Hans-Hermann Nikolei[dpa]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false