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Politik: Treu zum Kreml

Russische Zeitung berichtet von gezielter Wahlfälschung: Das Ergebnis für Sonntag sei mit dem Geheimdienst festgelegt worden

Selten waren sich linientreue und regierungskritische Medien in Russland so einig über den Ausgang einer Parlamentswahl wie diesmal. Doch während der Staatssender RTR die Zahlen noch als Umfrageergebnis präsentiert, verkauft die oppositionelle Zeitung „Nowaja Gaseta“ sie bereits als Ergebnis. Unter Berufung auf „kompetente Quellen“ schreibt das Blatt, der Ausgang der Parlamentswahl an diesem Sonntag sei bereits festgelegt. Es gebe entsprechende Absprachen der Kreml-Administration mit dem Föderalen Wachdienst, einer Abteilung des Inlandsgeheimdiensts FSB. Diese Abteilung ist auch zuständig für den störungsfreien Betrieb von GAS Wybory, des „Staatlichen automatischen Systems Wahlen“, das die Stimmen elektronisch erfasst und auszählt.

Im Durchschnitt, so das Blatt, seien „Umverteilungen“ von zwölf Prozent geplant – also Wahlfälschungen. Das betreffe die großen Städte Moskau und St. Petersburg ebenso wie die nationalen Teilrepubliken, bei denen das Mauscheln bei den Parteilisten bereits Tradition hat. In einzelnen Regionen seien „Umverteilungen“ von Stimmen bis zu einem Anteil zwischen 30 und 40 Prozent zu erwarten. Vor allem in Tschetschenien, wo das Militär wahlberechtigt ist, und in Baschkirien im Südural, wo am gleichen Tag Präsidentenwahlen stattfinden. In Baschkirien kann Amtsinhaber Murtaza Rachimow ein drittes Mal für das Präsidentenamt kandidieren – und es wird erwartet, dass er sich dafür gern in Moskau revanchiert.

Vor allem die Kommunistische Partei und die Reformpartei „Jabloko“, die real eine Zustimmung von 30 bis 35 beziehungsweise acht bis zwölf Prozent haben dürften, müssten Stimmen abgeben – an die Kremlpartei „Geeintes Russland“, die dann angeblich auf mindestens 40 Prozent kommen soll. Die „Spender“ der Stimmen würden dann im offiziellen Wahlergebnis nur noch mit 15 beziehungsweise sechs Prozent auftauchen.

Russlands oberster Wahlleiter, Alexander Weschnjakow, tobte nach der Veröffentlichung. Er forderte Beweise. Sie seien nicht von der Zeitung beizubringen, sondern von der Staatsanwaltschaft. Doch dem russischen Dienst von Radio Liberty schwant, die Ermittler würden angesichts der staatstragenden Bedeutung der potenziellen Fälscher den Teufel tun. Laut „Nowaja Gaseta“ fällt vor allem den regionalen Wahlkommissionen bei der vorgesehenen „Optimierung“ der Wahlergebnisse eine tragende Rolle zu. Sie sollen der „Macht in der Duma jene Mehrheit verschaffen, die sie verdient“, hatte der Nachrichtenchef des halbstaatlichen Senders ORT seinen Journalisten schon bei den letzten Dumawahlen im Dezember 1999 erklärt.

Wenigstens die für Verfassungsänderungen nötige Zweidrittelmehrheit von 300 Stimmen der „Einheitsrussen“ müsse verhindert werden, fordert Kommunisten-Chef Gennadij Sjuganow. Denn die absolute Mehrheit dürfte den „Einheitsrussen“ dank „Optimierung“ der Ergebnisse ihrer schwächelnden Juniorpartner ohnehin sicher sein. Der Vordenker der oppositionellen „Union der rechten Kräfte“ (SPS), Jegor Gaidar, warnte schon mal vor der Köchin, die laut Lenin den Staat zwar im Prinzip regieren kann, sich dazu aber erst befähigen muss. Die träte jetzt erneut an. Ohne Befähigung, aber diesmal mit Dienstwaffe.

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