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Die scheidende Treuhand-Präsidentin Birgit Breuel entfernt am 30.12.1994 eigenhändig mit einem Schraubenzieher das Firmenschild am Eingang der Treuhandanstalt in Berlin. Auf die Treuhand wurde viel eingedroschen. Doch das war gewollt, wie ein neues Buch des Hamburger Autor Dirk Laabs über das wohl dunkelste Kapitel der Wiedereinigung zeigt. Die Superbehörde diente Bundesregierung und Wirtschaftskonzernen als Sündenbock beim Ausverkauf der DDR.

© picture alliance / dpa

Treuhandanstalt: Ein deutsches Ungeheuer als Beispiel für Griechenland?

Beim Euro-Gipfel wurde den Griechen eine Treuhandanstalt als Mittel der Privatisierung aufgedrängt. Für das wiedervereinigte Deutschland war die Treuhand Fluch und Segen zugleich. Ein Rückblick auf eine schwierige Zeit und eine heftige Kontroverse.

Von Antje Sirleschtov

Als Birgit Breuel am 31. Dezember 1994 das Eingangsschild der „Treuhandanstalt“ von der Außenmauer des heutigen Bundesfinanzministeriums schraubte und damit eines der wesentlichen Kapitel der Wiedervereinigung beendete, war die Geschichte der Staatsholding längst geschrieben. Wobei es – und das ist bei der Bewertung der jetzt in Athen entstehenden Treuhandanstalt wichtig – im Grunde genommen mindestens zwei Geschichten gibt.

Die erste beginnt mit einem Mythos: Die Kapitalisten haben die Treuhand gegründet, um das Volksvermögen der DDR-Bürger unter sich aufzuteilen und nebenbei unliebsame Wettbewerber aus dem Weg zu räumen. Das ist Quatsch. Im Grunde sind der frühere SPD-Politiker Wolfgang Thierse und die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt an der Treuhand schuld. Denn ihre Oppositionsgruppe „Demokratie Jetzt“, die später in den Grünen aufging, hat das Gesetz zur Bildung der Staatsholding 1990 in die Volkskammer eingebracht. Das „Volksvermögen“ sollte geschützt werden: rund 14.000 Betriebe, 2,4 Millionen Hektar Wald, 25 Milliarden Quadratmeter Immobilien, Hotels, Apotheken und vieles mehr. Etwa vier Millionen Menschen beschäftigte die Treuhand, und ihr erster Präsident, Detlev Karsten Rohwedder, schätzte den Besitz auf 600 Milliarden D-Mark (rund 300 Milliarden Euro).

Doch rasch stellte sich 1990 heraus, dass die Betriebe kaum eine Chance im Markt hatten, zu viele Menschen beschäftigten und man Immobilien nicht verkaufen konnte, weil kein Kataster bestand und damit die Eigentumsverhältnisse unklar waren. Nicht zu vergessen: Privatisierung an sich galt in weiten Teilen der deutsch-deutschen Öffentlichkeit als politischer Irrweg.

Spielball politischer Interessen

So wurde die Treuhand zum Spielball unterschiedlicher politischer Interessen. Zuweilen stand die Veräußerung der Betriebe im Vordergrund, weil man sich davon versprach, dass rasch kompetente Manager in die Unternehmen kommen würden und im besten Fall auch über „Mutterkonzerne“ Absatzmärkte. Dann wieder stellte die Politik die Alimentierung der Unternehmen in den Vordergrund, um zu verhindern, dass nach der Privatisierung zu viele Menschen ihre Jobs verloren. Und nicht zu vergessen: Wie nicht anders zu erwarten war, gab es auch Korruption, wurden unlautere Deals gemacht und Betriebe geschlossen, weil unfähige Manager in der Treuhand saßen. Auch das prägte das Bild der Treuhand.

Mit jedem Monat ihres Bestehens wurde die Treuhand so mehr und mehr zum Symbol für die Verunsicherung der Deutschen – beiderseits der ehemaligen Mauer. Für diejenigen, die ihre Jobs verloren, war sie der Inbegriff des menschenverachtenden Kapitalismus. Jede „1-D-Mark-Privatisierung“ wurde gleichgesetzt mit der Verschleuderung wertvollen Volkseigentums. Und für die anderen waren die Millionen, die die Treuhand jeden Monat für Löhne an Menschen zahlte, die eigentlich nichts Verkaufbares produzierten, eine Geldvernichtung. „Ungeheuer“ nannte Rohwedder seine Anstalt von Anbeginn. Und bis heute ist sie das in der Erinnerung geblieben: ein unvorstellbar großer Konzern, der jedem Betrachter eine Projektionsfläche für seine jeweiligen politischen Auffassungen bietet.

Fakt ist: Am Ende der Treuhand waren in den ehemaligen Betrieben noch 1,5 Millionen Menschen beschäftigt und der Staatskasse wurden 120 Milliarden Euro Schulden statt der erhofften 300 Milliarden Gewinn übergeben. Was diese Zahlen jedoch nicht widerspiegeln: Hätte es 1990 diese Einrichtung nicht gegeben, wären Millionen Menschen direkt nach der Wiedervereinigung arbeitslos geworden, wäre die Übernahme der DDR-Betriebe durch westliche Unternehmen zum Lotteriespiel geworden und hätte es unabsehbare politische Folgen für den gesamten Wiedervereinigungsprozess gegeben. Birgit Breuel sprach rückblickend einmal von einem Experiment. Niemand wusste vorher, wie man eine am Boden liegende Ökonomie rettet, weshalb wohl auch niemand mit Bestimmtheit sagen kann, ob eine Alternative billiger und gerechter gewesen wäre.

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