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Heikler Auftritt. Jürgen Trittin bei der Vorstellung des neuen Merkel-Buchs

© dpa

Trittin bei Präsentation von Merkel-Buch: Der Eiertanz um Schwarz-Grün

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin war als kritischer Gegenpart zu Gast bei der Präsentation eines neuen Buchs über Kanzlerin Angela Merkel. Eine brisante Konstellation, weil seine Partei nach der Bundestagswahl vor einer kritischen Entscheidung stehen könnte.

Von Hans Monath

Es ist eine beliebte Übung im politischen Betrieb der Hauptstadt: Buchvorstellungen macht man spannend, indem man als Laudator oder Debattenredner den Vertreter einer Partei einlädt, die mit dem porträtierten Politiker oder dem politischen Autor in scharfem Wettbewerb steht. Damit Journalisten aus einem solchen Event Funken schlagen können und etwas zu berichten haben, muss etwa der Liberale Wolfgang Kubicki eine neue Steinbrück-Biografie vorstellen und der Sozialdemokrat Olaf Scholz ein neues Buch von Gregor Gysi

Am Donnerstag wählte der Klett-Cotta-Verlag die gleiche Methode, um für das neue Buch „Die Deutsche. Angela Merkel und wir“ zu werben. Auf dem Podium neben dem Autor Ralph Bollmann saß Grünen-Fraktionschef und -Spitzenkandidat Jürgen Trittin und hatte, wie so häufig, selbst offenbar am meisten Spaß an den von ihm ausgebreiteten Argumenten. Das zumindest signalisierte das breite Grinsen mit dem er die eigenen Statements jeweils abschloss.

Die Konstellation war vor allem deshalb brisant, weil die Grünen nach der Bundestagswahl am 22. September vor eine kritische Entscheidung gestellt sein könnten, falls es für Rot-Grün nicht reicht: Werden sie dann eine Koalition mit der Union sondieren, mit jenen Parteien also, die sie jetzt im Wahlkampf in Grund und Boden kritisieren? Und wie schätzt Trittin die Politikerin Angela Merkel ein, mit der er dann womöglich hart verhandeln oder sogar für vier Jahre zusammenarbeiten könnte?

„Wer nur nach seinem Sinn regiert, herrscht bald allein in einem leeren Land.“

Autor Bollmann, der früher klug für die „taz“ und mittlerweile nicht weniger klug für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ schreibt, breitet in seinem Werk die These aus, dass die amtierende Kanzlerin ihr Wahlvolk, die Deutschen, „für ein bisschen plemplem hält“, wie er sagte, für hysterisch, verwöhnt und geschichtsvergessen. Doch anmerken lässt sie sich das seinen Beobachtungen nach nur äußerst selten, wenn sie etwa einmal in kleinerem Kreis warnt, die Deutschen dürften sich nicht zur „Komikernation“ machen.

Es ist häufig moniert worden, dass Merkel als Oppositionspolitiker ein neoliberales Reformprogramm verfolgte und dann als Kanzlerin kalten Herzens in jahrzehntelanger Arbeit ausgebaute ideologische Festungen ihrer eigenen Partei aufgab, um sich – wie etwa beim Atomausstieg- dem Mehrheitswillen zu beugen. Mit dem verbreiteten Urteil, wonach Merkels Flexibilität im Umgang mit den eigenen Überzeugungen der demokratischen Kultur in Deutschland schade, weil sie damit alle Unterschiede einebne, ging Bollmann aber hart ins Gericht.

Es sei „nicht Aufgabe einer Bundeskanzlerin oder eines Bundeskanzlers ist, seinen privaten Überzeugungen zum Durchbruch zu verhelfen“, meinte er und bekräftigte seine These mit einem Zitat aus der Antigone des Sophokles. „Wer nur nach seinem Sinn regiert, herrscht bald allein in einem leeren Land.“ Glaubt man Bollmann, sieht die Kanzlerin das ähnlich: Als das Stück neulich am Deutschen Theater lief, sei Merkel „gleich in eine der ersten Aufführungen gerannt“ und völlig begeistert gewesen, wusste Bollmann zu berichten.

„Die Bevölkerung möchte in eine andere Richtung als die Regierung"

Es ist wenig verwunderlich, dass Trittin dem nüchternen Lob Bollmanns auf eine Kanzlerin, die Deutschland und Europa in der Krise regierbar halte, heftig widersprach. An ihrer „unvermeidlichen Anpassungsfähigkeit an die unvermeidlichen Mehrheitsentscheidungen“ (Trittin) jedenfalls wollte er nichts Rühmenswertes entdecken. Auch wies der Grünen-Politiker vehement die These des Autors zurück, wonach die Mehrheit der Deutschen sich vor Neuerungen fürchte: „Die Bevölkerung möchte in eine andere Richtung als die Regierung, und deshalb wird sie als veränderungsresistent denunziert.“

Dann begann der mühsame Teil der Veranstaltung: Welche „Anpassungsbereitschaft“ an die Grünen er nach dem 22. September im Hinblick auf Schwarz-Grün Merkel zutraue, wurde Trittin gefragt. Doch die Antwort war ausweichend: Er tue alles dafür, dass Merkel das Kanzleramt ganz räumen müsse, erklärte Trittin ungerührt. Und auch alle weiteren Fragen, ob er irgendeinen persönlichen oder professionellen Respekt vor Merkel hege, bügelte der rhetorisch gewandte Fraktionschef schnell ab. Stattdessen monierte er, die angeblich nüchterne und sparsame Kanzlerin habe die öffentlichen Schulden in Deutschland maßgeblich in die Höhe getrieben. „Es gibt nichts, von dem Sie sagen, das kann die Kanzlerin wirklich gut?“, fragte Moderatorin Mariam Lau schließlich sichtlich entgeistert. Im Geiste eines politischen Zynikers antwortete Trittin nur: „Soll ich jetzt öffentlich erklären, ich finde es gut, dass jemand so verlogen ist?“

Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich die Wirkung von Schlagzeilen wie „Trittin lobt Merkels Lernbereitschaft“ oder „Trittin voller Achtung für Merkels Lebenswerk“ in der aufgeheizten Stimmung eines Wahlkampfes auszumalen. Doch die Mehrzahl der Zuhörer in einem Raum der Bundespressekonferenz schien deutlich genervt vom argumentativen Eiertanz des Fraktionschefs. Eines hatte der Grünen-Politiker zuverlässig geschafft, was er sich offenbar auch vorgenommen hatte: Er lieferte auch nicht den kleinsten Anlass für eine neue Debatte über eine schwarz-grüne Koalition nach dem 22. September, von der er offensichtlich fürchtet, dass sie die eigenen Sympathisanten im Wahlkampf schwer verstören würde. Nur eine Frage neben der nach der wirklichen Meinung Trittins über Merkel blieb nach einer Stunde unbeantwortet: Warum geht ein Politiker zu einer Buchvorstellung, wenn er zum spannendsten Thema der Veranstaltung rein gar nichts sagen will?

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