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Der lange Schatten des Lagers. Menschenrechtler fordern in einer Protestaktion vor dem Weißen Haus die Schließung von Guantanamo. Foto: Jim Young/Reuters

© REUTERS

Trotz Protesten: Dauerlager Guantanamo bleibt

Barack Obama wollte Guantanamo schließen und die Militärtribunale stoppen – doch damit ist er gescheitert.

Sie kämpfen immer noch, aber auf verlorenem Posten: Progressive Juristenverbände und Menschenrechtsgruppen demonstrierten auch in den vergangenen Tagen wieder gegen das Lager Guantanamo. Vor neun Jahren, am 11. Januar 2002, war auf der US-Militärbasis an der Südostspitze Kubas ein Internierungslager für Terrorverdächtige eingerichtet worden. Vor zwei Jahren, am 20. Januar 2009, gab der frisch ins Amt eingeführte Präsident Barack Obama die Anweisung, die Schließung des Lagers vorzubereiten. Direkt nach seiner Inauguration unterschrieb er noch am Abend ein Dekret, das die von George W. Bush eingeführten Militärtribunale stoppte. Allen 240 Insassen, die er von Bush geerbt hatte, versprach er Einzelfallprüfungen, ob ihre Internierung gerechtfertigt sei. Topterroristen wie Khalid Scheich Mohammed, Chefplaner der Angriffe am 11. September 2001, sollten vor ordentliche Strafgerichte gestellt werden, vorzugsweise in Manhattan, in symbolischer Nähe zu „Ground Zero“, wo das World Trade Center stand und rund 3000 Menschen starben.

Diese Politik ist gescheitert. Der Kongress hat kürzlich die Genehmigung des Verteidigungsetats mit einer Klausel verbunden, die es nahezu unmöglich macht, Guantanamo-Insassen ohne ausdrückliche Genehmigung des Parlaments zu Prozessen in die USA zu bringen. Obama hat kein Veto gegen dieses Budgetgesetz eingelegt, sondern es in unveränderter Form unterschrieben. Es hat jetzt Rechtskraft. Und Verteidigungsminister Robert Gates wird, wie die „New York Times“ berichtet, in den nächsten Tagen das Verbot neuer Anklagen vor Militärtribunalen aufheben. Vereinzelt protestieren Rechtsanwälte und Bürgerrechtsvereine gegen diese Entwicklung, aber im Januar 2011 geht ihr Protest weitgehend unter. Nur wenige Bürger kommen noch zu ihren Veranstaltungen. Die erdrückende Mehrheit der amerikanischen Gesellschaft findet allem Anschein nach nichts dabei, dass Guantanamo zu einem Dauerlager ohne absehbares Ende wird.

Obamas Moratorium für Militärtribunale galt ohnehin nicht lückenlos. Es betraf Neuverfahren sowie jene Fälle, in denen die unter Bush vorbereitete Anklage gerichtlich gestoppt worden war und neu aufgerollt werden musste. Auch unter Obama hatte es 2010 mehrere Prozesse vor Militärtribunalen in Guantanamo gegeben – Altfälle aus der Bush-Zeit, in denen die juristischen Überprüfungsinstanzen die Anklagen nicht verworfen hatten. Zudem war der Ausbau der Gerichtssäle in Guantanamo, in denen die Militärtribunale tagen, ein untrügliches Zeichen: Obama hat den politischen Kampf um die Schließung Guantanamos aufgegeben und findet sich damit ab, dass er dieses Wahlversprechen nicht erfüllen kann.

Die Gründe für sein Scheitern sind vielfältig. Den größten Einfluss auf die öffentlichen Stimmungsschwenks bei der Terrorabwehr haben Ereignisse, die ein Präsident nicht beeinflussen kann, zum Beispiel neue Anschlagsversuche oder die innenpolitischen Tumulte in Ländern wie dem Jemen; von dort stammt die größte Gruppe der zur Freilassung vorgesehenen Insassen, 58 der derzeit 173 Gefangenen; sie können auf absehbare Zeit nicht heimkehren.

Unter Bush hatte es einen umgekehrten Stimmungsumschwung gegeben. Als er das Lager am 11. Januar 2002 einrichten ließ, auf den Tag genau vier Monate nach 9/11, stieß er anfangs auf Verständnis. Nicht nur Amerika, auch Europa war in Angst vor weiteren Anschlägen. Die Nato hatte den Bündnisfall gegen Afghanistan erklärt, wo Al Qaida den Terrorangriff auf Amerika unter dem Schutz des Taliban-Regimes geplant hatte. Im Krieg in Afghanistan und bei Razzien gegen extremistische Moscheen im benachbarten Pakistan wurden hochkarätige Terrorverdächtige aufgegriffen, die möglicherweise Informationen über weitere Anschlagspläne hatten. Die USA brauchten einen Ort, wo sie diese sicher verwahren und verhören konnten.

Bush wählte einen Ort außerhalb der USA, Guantanamo, weil Berater ihm gesagt hatten, dort gelte das amerikanische Rechtssystem nicht und die Geheimdienste seien deshalb freier, wie sie die Gefangenen behandeln. Diese von Bush angestrebte Rechtlosigkeit wurde jedoch zur schärfsten politischen und juristischen Waffe gegen Guantanamo. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Doch in den folgenden Jahren verlor die Bush-Regierung die Mehrheit der Verfahren von den unteren Gerichtsinstanzen bis hinauf zum Supreme Court. Ihre Regeln für Militärtribunale wurden verworfen. Vor Obamas Militärtribunalen werden die Angeklagten deutlich mehr Rechte haben. Auch an ihnen haftet aber der Makel des Namens Guantanamo.

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