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Politik: Trübes Licht vom „Leuchtturm“

Eine Affäre wird der türkischen AKP gefährlich – bei den eigenen Anhängern

Ein Betrugsskandal in Deutschland bringt den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Bedrängnis. Nachdem das Frankfurter Landgericht drei Vertreter der türkischen Wohlfahrtsorganisation Deniz Feneri (Leuchtturm) wegen der Veruntreuung von Spendengeldern zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilte, erhebt die Opposition in Ankara schwere Vorwürfe gegen die Regierung. Teile des veruntreuten Geldes sollen Erdogans Regierungspartei AKP zugute gekommen sein. Mindestens 14 Millionen Euro sollen die Verantwortlichen von Deniz Feneri in die Türkei geschleust haben. Die Organisation habe in Wahrheit nie wohltätigen Zwecken dienen sollen, sagte der Frankfurter Richter Jochen Müller. Der Richter sprach von einem „Spendenbetrug, der alles überragt, was ich bislang erlebt habe“.

Erdogans Regierung versprach nach dem Urteil eine schnelle Aufklärung. Regierungssprecher Cemil Cicek rief die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen auf, auch die Regierung sei an Klärung interessiert. Doch die Gegner des Ministerpräsidenten sind skeptisch. Wegen der Nähe eines der Angeklagten zum Ministerpräsidenten werde daraus wohl nichts, sagte Oppositionsführer Deniz Baykal. Der Hauptangeklagte im Frankfurter Prozess, Mehmet Gürhan, ist nicht nur AKP-Mitglied, sondern arbeitete auch als Europa-Chef des türkischen Fernsehkanals Kanal 7. Der Sender steht der gemäßigt-islamischen Regierung Erdogan politisch nahe. Kanal-7-Chef Zekeriya Karaman, ebenfalls ein AKP-Mitglied, ist sogar weitläufig mit dem Ministerpräsidenten verwandt: Karamans Sohn ist mit der Schwägerin eines Sohnes von Erdogan verheiratet. In der türkischen Presse wird Karaman inzwischen als Drahtzieher des Skandals bezeichnet.

Obwohl das Frankfurter Gericht keine Beweise dafür fand, dass die AKP von den veruntreuten Geldern profitierte, glaubt Ankaras Opposition, dass Erdogan tief in den Skandal verstrickt ist. Die gesamte Spendenaffäre sei eine einzige „AKP-Produktion“ gewesen, sagt Baykal. Mürhan und Karaman hätten den Auftrag gehabt, mit dem bei Türken in Deutschland gesammelten Geld die Politik der AKP zu finanzieren. Wenn sich das beweisen lässt, droht der AKP ein neues Verbotsverfahren wegen Annahme von Geldern aus dem Ausland.

Dass die Opposition skeptisch ist, muss Erdogan nicht weiter kümmern. Es dürfte ihm aber Sorgen bereiten, dass selbst bei Regierungsanhängern der Eindruck entstanden ist, die AKP lasse bei Korruptionsfällen in den eigenen Reihen fünfe gerade sein. Dabei sieht sich die AKP als Partei, die mit den korrupten Gewohnheiten früherer Regierungsparteien gebrochen hat. Der Deniz-Feneri-Skandal habe bei den konservativen AKP-Anhängern ein „Trauma“ verursacht, sagte Ali Bulac, ein Kolumnist der regierungsnahen Zeitung „Zaman“, dem türkischen Nachrichtensender NTV. Erst vor kurzem hatte ein hochrangiger AKP-Politiker wegen einer Immobilienaffäre zurücktreten müssen.

Lange Zeit tat Erdogan die Vorwürfe gegen seine Partei als Kampagne des Medienunternehmers Aydin Dogan ab, der sich auf diese Weise für das Nein der Regierung zu einem geplanten Immobilienprojekt habe rächen wollen. Inzwischen hat der Premier offenbar umgedacht. Auch die Parteiführung der AKP betonte bei einer Vorstandssitzung, die „Leuchtturm“-Affäre müsse lückenlos aufgeklärt werden.

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