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US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos.

© imago/Xinhua

Trump in Davos: Pappkameraden im Duell

US-Präsident Trump hat seinen Auftritt in Davos geschickt genutzt, um der Wirtschaftselite den Spiegel vorzuhalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Irritation über Donald Trumps Auftritt beim Weltwirtschaftsforum war unvermeidlich. So ist das nun mal, wenn man sich einen Pappkameraden baut. Früher oder später trifft das Zerrbild auf die Realität und lässt sich nicht mehr so leicht halten.

Fuchs im Hühnerstall

Als Anti-Davos-Mann war Trump gehandelt worden. Er sei gegen alles, was der versammelten globalen Wirtschaftselite heilig sei: die liberale Ordnung, internationale Institutionen und Abkommen. Er rede nationalem Egoismus und Protektionismus das Wort. Kurzum, Trump sei einer, den die Davos-Fans als Feind betrachten müssen. Das drückte sich in Bildern wie dem vom Besuch des Fuchses im Hühnerstall aus.

Sein Auftritt strafte die Mär Lügen. Trump präsentierte eine Erfolgsbilanz nach dem Geschmack des Davos-Publikums: Die Wirtschaft wächst, die Börse ist auf Rekordhoch, die Arbeitslosenrate auf Rekordtief, die Steuern sind unten, die Deregulierung macht Investitionen in den USA, der größten Volkswirtschaft, noch attraktiver. „America is open for business.“

"America First" heißt nicht "America Alone"

Trump bestritt rundheraus, dass er ein Protektionist und nationaler Egoist sei. Er trete für eine liberale Handelsordnung sein, aber die Bedingungen müssen fair sein; und alle müssen die Regeln einhalten. Auch andere Regierungschefs verteidigen die Interessen ihrer Bürger, das gebietet schon der Amtseid. „America First“ bedeute nicht „America Alone“. Trump wirbt für Kooperation zur Durchsetzung geltender Regeln. Dazu gehört, dass Nordkorea und der Iran sich keine Atomwaffen verschaffen dürfen.

Alles also halb so wild? Trump, der verkannte Präsident?

Trumps Zerrbilder

Nein, auch das wäre eine Mär. Seine Taten, die Besorgnis auslösen, ließ er aus: die Strafzölle auf Solarzellen und Waschmaschinen aus Asien, auf Olivenöl aus Europa. Die Verzögerungstaktik bei der Ernennung neuer Richter in der Welthandelsorganisation WTO, die EU-Kommissarin Cecilia Malmström beklagt. Sowie die kriegerische Rhetorik gegenüber Nordkorea und Iran. Ebenso überging Trump, dass er doch erst recht mit Pappkameraden und Zerrbildern hantiert.

Es ist eine Frechheit zu behaupten, er habe ein Land im jahrelangen Niedergang übernommen. Den Boom, mit dem er sich brüstet, hat er Vorgänger Obama zu verdanken. Der hatte ein von der Finanzkrise geschwächtes Amerika geerbt und den Wiederaufstieg eingeleitet, inklusive des erfolgreichen Werbens um eine Re-Industrialisierung, nachdem die USA zu sehr auf Finanzdienstleistungen gesetzt hatten. VW baut jetzt Autos in Tennessee, Siemens Windkraftanlagen in Iowa. Schon Obama drängte Europa zur Lastenteilung und verlangte von China, Urheberrechte und andere Regeln einzuhalten. Trump riskiert mit den Strafzöllen einen Handelskrieg. In vielen Bereichen agiert er als Elefant im Porzellanladen.

Verachtet - und geschätzt

Trump hat seine Rede in Davos geschickt genutzt, um seinen angeblichen Verächtern in der globalen Wirtschaftselite den Spiegel vorzuhalten. Sie porträtieren ihn als den hässlichen Amerikaner und verschweigen, was sie an ihm schätzen. Daraus kann ein konstruktiver Aufbruch werden – aber nur, wenn beide Lager ihre Pappkameraden in die Ecke stellen und sich verständigen, wo sie bei allen Meinungsverschiedenheiten Ansätze für gemeinsames Handeln sehen.

Die von den USA geprägte liberale Weltordnung ist nicht so schädlich für Amerika, wie Trump behauptet. Sie eröffnet den USA große Einflussmöglichkeiten, freilich nicht im Alleingang, sondern nur wenn sie ihre internationalen Bündnisse nutzen. Der Atomkonflikt mit dem Iran lässt sich nur eindämmen, wenn Amerika und Europa zusammenstehen; der mit Nordkorea nur in Kooperation mit China, nicht mit Konfrontation.

Trumps Amerika ist "open for business"

Man sollte von Trump nicht erwarten, dass er sich Lügen straft, im Klimaabkommen von Paris bleibt und die Strafzölle ohne Gegenleistung kippt. Man darf aber anerkennen, dass erneuerbare Energien auch unter ihm boomen, die Wirtschaftsordnung liberal ist und die USA in der digitalen Zukunftsbranche mit weitem Abstand führen. Wenn die Zerrbilder einem nüchternen Blick weichen, sind Amerika und die Welt wieder „open for business“ zur Lösung der drängendsten Probleme.

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

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