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Politik: Tschad gegen die Weltbank

Einnahmen aus der Ölförderung hätten eigentlich den Armen helfen sollen

Ein Prestigeprojekt der Weltbank, das beweisen sollte, dass die Erdölgewinnung zur Entwicklung beitragen kann, ist gescheitert. Die Regierung in Tschad brach eine Vereinbarung, die sicherstellen sollte, dass ein Großteil seiner Öleinnahmen der Armutsbekämpfung dient.

Eigentlich hatte die Weltbank vor fünf Jahren nur unter der Bedingung die Finanzierung der knapp vier Milliarden Dollar teuren und rund 1100 Kilometer langen Pipeline garantiert, die nötig war, um das in Tschad geförderte Erdöl an die Atlantikküste Kameruns zu schaffen, dass sich Tschad zu einem Kontrollregime für die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft verpflichtet. Nach langen Verhandlungen verabschiedeten die Parlamentarier in N’Djamena das Gesetz 001. Es schrieb vor, dass sämtliche Öleinnahmen auf ein Londoner Treuhandkonto überwiesen und von dort nach einem festgelegten Schlüssel verteilt werden: Zehn Prozent sollten in einen Fonds für zukünftige Generationen gehen, 80 Prozent für Erziehung, Gesundheit und Wasserversorgung ausgegeben werden, weitere fünf Prozent sollten in die Region im Süden des Landes fließen, in der das Erdöl gefördert wird.

Weltbank und Erdölindustrie priesen die Vereinbarung als „richtungsweisendes Modell“ für den verantwortungsvollen Umgang mit Petrodollars, die andere Erdölstaaten Afrikas wie Nigeria und Angola zu den korruptesten Staaten der Welt gemacht oder gar in Bürgerkriege getrieben hatten. In Nigeria sank das Pro-Kopf- Einkommen in den vergangenen 30 Jahren um fast ein Viertel, obwohl im selben Zeitraum 300 Milliarden Dollar aus den Ölexporten flossen. Denn korrupte Politiker stecken sich die Petrodollars in die eigenen Taschen. „Wir kennen keinen einzigen Fall, in dem Öl in einem Entwicklungsland zu langfristigen positiven Resultaten führte“, sagt die amerikanische Politologin Terry Lynn Karl.

Kaum mehr als ein Jahr nach Aufnahme der vollen Produktionskapazität hat die tschadische Regierung nun die Vereinbarung gebrochen und das Gesetz 001 einer Revision unterzogen. Der Fonds für künftige Generationen wurde aufgelöst; und den sozialen und infrastrukturellen Aufgaben, denen 80 Prozent der Einnahmen zufließen sollen, wurden kurzerhand auch militärische Ausgaben zugerechnet. „Unser Land steht vor enormen finanziellen Schwierigkeiten“, rechtfertigte Regierungssprecher Hourmadji Moussa Doumgor den Schritt: „Wir brauchen dieses Geld, um den Frieden und die Entwicklung in unserem Land zu sichern.“ Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Regierung die Vereinbarung nur eingegangen sei, um sich die Unterstützung der Weltbank zu sichern, meint Delphine Djiraibe von der tschadischen Vereinigung für Menschenrechte: „Jetzt, wo das Geld fließt, sind ihr sämtliche Vereinbarungen egal.“

Tatsächlich ist die Regierung unter Ex-General Idriss Deby unter starken Druck geraten. Hunderte von Offizieren und Soldaten, die weder mit ihrer Bezahlung noch mit der Politik zufrieden sind, haben sich in den Osten des Landes abgesetzt, wo sie die Rebellenbewegung „Plattform für Nationale Reform, Einheit und Demokratie“ (Scud) gründeten. Anfang Dezember kam es zu ersten Kämpfen, bei denen zwölf Regierungssoldaten getötet wurden. Deby entließ inzwischen seine gesamte Präsidentengarde und tauschte die Führung der Streitkräfte aus. Auch die seit Monaten nicht bezahlten Lehrer sind unzufrieden: Bei Protesten, die Schüler zu ihrer Unterstützung organisierten, sind offenbar zwei Schüler von der Polizei getötet sowie Dutzende verletzt worden.

Weltbankpräsident Paul Wolfowitz bewertete den Schritt als Vertragsbruch. Die Weltbank droht nun damit, weitere Zahlungen zurückzuhalten und die Rückzahlungsraten für den Kredit zu erhöhen.

Bis Anfang Oktober nahm Tschad 300 Millionen Dollar aus dem Erdölexport ein – insgesamt könnte Tschad aus seinen Mineralölreserven bis zu zehn Milliarden Dollar gewinnen. Nach dem Entwicklungs-Index der UNDP ist Tschad der fünftärmste Staat der Welt. Von Transparency International wurde er 2005 als das korrupteste Land der Erde eingestuft.

Johannes Dieterich[Johannesburg]

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