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Tschechien: Opposition in Prag feiert Wahlsieg

Der konservative Oppositionsführer Topolanek (Foto) und seine Demokratische Bürgerpartei (ODS) haben die Parlamentswahlen in Tschechien gewonnen. Ministerpräsident Paroubek zweifelte das Ergebnis an.

Prag - Unter dem Jubel seiner Parteifreunde kündigte der 50-jährige Mirek Topolanek am Samstagabend an, nun Varianten für eine Ablösung der seit acht Jahren regierenden Sozialdemokraten (CSSD) zu sondieren. Der Konservative brachte dabei vor allem ein Bündnis mit den Christdemokraten (KDU-CSL) und den Grünen (SZ) ins Spiel. Dieses hat aber nach der Mandatsverteilung im Abgeordnetenhaus nur genau 100 der 200 Sitze, damit herrscht eine Patt-Situation.

Nach dem amtlichen Endergebnis kam die EU-skeptische ODS auf 35,4 Prozent (2002: 24,5 Prozent) der Stimmen. Dies sind 81 Sitze (2002: 58). Die KDU-CSL erklärte bereits ihre Bereitschaft zu einer Koalition mit der ODS. Sie konnte 7,2 Prozent der Stimmen (2002: 14,3 Prozent in einem Zwei-Parteien-Bündnis) gewinnen, dies sind 13 Sitze (2002: zusammen 31). Als dritte Kraft in einer solchen möglichen Koalition gelten die Grünen (SZ), die mit 6,3 Prozent erstmals in einem ehemals sozialistischen Land den Sprung ins Abgeordnetenhaus schafften (sechs Sitze).

Sozialdemokraten prüfen Klage beim Oberverwaltungsgericht

Die CSSD von Ministerpräsident Jiri Paroubek kam auf 32,3 Prozent (2002: 30,2 Prozent). Dies entspricht 74 Sitzen (2002: 70). In einem für Tschechien beispiellosen Schritt äußerte der 53-Jährige am Abend öffentlich Zweifel am rechtmäßigen Verlauf der Abstimmung. Er warf der ODS in einer Rede vor, die Wahlen mit einer Schmutzkampagne regelwidrig beeinflusst zu haben. Seine Partei prüfe eine Klage beim Oberverwaltungsgericht, unterstrich Paroubek. Er weigere sich zudem wegen der Angriffe, dem mutmaßlichen Sieger zu gratulieren.

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus kritisierte Paroubeks Aussagen scharf. Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz sprach Klaus, der auch Ehrenvorsitzender des Wahlsiegers ODS ist, von einem «schockierenden Auftritt». Der sozialdemokratische Regierungschef habe offenbar die Wahlniederlage nicht verkraftet, sagte Klaus am Samstagabend.

Als fünfte Partei im Parlament vertreten sein werden die Kommunisten (KSCM) mit 12,8 Prozent (2002: 18,5 Prozent). Dies entspricht 26 Sitzen (2002: 41). Die Kommunisten schlugen Paroubek am Abend ein Bündnis vor, das aber nach vorläufigem Stand ebenfalls keine Mehrheit hat. In der Vergangenheit hatte die KSCM bei Abstimmungen im Parlament mehrfach die Sozialdemokraten unterstützt.

Topolanek: EU-Verfassungsvertrag ist «ein Haufen Mist»

Paroubek hatte im Wahlkampf einen Ausbau des Sozialstaats versprochen, der aber schwer zu finanzieren sein dürfte. Topolanek wiederum kündigte Reformen an sowie die Einführung einer auf 15 Prozent angesetzten Einheitssteuer («flat tax»). Den geplanten EU-Verfassungsvertrag nannte er im Wahlkampf «einen Haufen Mist».

Präsident Klaus (ODS) kündigte an, am Montag mit Topolanek zusammentreffen zu wollen. «Der Wähler hat gezeigt, dass er einen Wechsel will», interpretierte das Staatsoberhaupt das Ergebnis. Die Beteiligung lag bei rund 64,5 Prozent der acht Millionen Wahlberechtigten gegenüber 58 Prozent vor vier Jahren. Bei den ersten Parlamentswahlen des Landes seit dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 hatten sich rund 5000 Kandidaten aus 25 Parteien um die 200 Sitze in der unteren Kammer des Parlaments in Prag beworben. (tso/dpa)

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