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Politik: Tue Gutes – und sprich nicht darüber

Wie der belgische Staat versucht, enteignete Juden zu entschädigen

Stellen Sie sich vor, es gibt 110 Millionen Euro zu verteilen – und keiner weiß davon. So geht es derzeit der Kommission für die Entschädigung der Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Belgiens, deren Vermögen während des Zweiten Weltkrieges entzogen wurde oder zurückgelassen werden musste.

Das Geld ist da, fast alle Namen der 60 000 Juden, die 1940 beim Einmarsch der Deutschen in Belgien lebten, sind bekannt – allein die Anträge auf Entschädigung laufen nur spärlich ein. „Unsere Informationspolitik war bisher nicht optimal“, gibt der Vorsitzende der Kommission, Lucien Buysse, zu. Denn die meisten Betroffenen sind keine belgischen Staatsbürger, sondern Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und Polen. Während die belgischen Juden seit Dezember 2001 von der Existenz der Kommission wissen, haben die meisten ausländischen Juden keine Ahnung, dass es einen solchen Fonds gibt. Und so können sie auch nicht wissen, dass sie ihre Anträge auf Entschädigung bis zum 19. März einreichen müssen. Danach sind alle Ansprüche gegen den belgischen Staat verwirkt.

„In einem Gespräch mit Herrn Buysse haben wir außerordentlich deutlich eine Verlängerung der Antragsfrist gefordert“, sagt Charlotte Knobloch, Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die belgische Kommission habe erst Ende Dezember den Zentralrat über den Entschädigungsfonds informiert und um Unterstützung gebeten. „Unter solchem Zeitdruck kann eine Zusammenarbeit nicht funktionieren“, sagt sie. Der Zentralrat lasse sich nicht wenige Wochen vor Ablauf der Frist instrumentalisieren.

Nun haben die Belgier über ihre Botschaften eine Info-Kampagne gestartet. Kritiker der Kommission fragen sich, warum das erst jetzt passiert. Immerhin hat sich die Kommission schon vor Monaten bei der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ erkundigt, wie ein gutes Informationsmanagement abläuft. „Voraussetzung für die Arbeit einer solchen Kommission ist doch, sicherzustellen, dass alle potenziellen Antragsteller erreicht werden“, sagt Stiftungssprecher Kai Hennig. Das könne über die Medien laufen, aber auch über Ämter und Behörden der Länder. Das will die belgische Kommission nun nachholen. Bis zum 19. März bleibt ihr Zeit – acht Wochen.

Dagmar Rosenfeld

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