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Politik: Tür an Tür mit den Tataren

Die Polen reagieren gelassen auf die Wünsche aus Ankara

Zur Zufriedenheit hatte der türkische Außenminister Abdullah Gül nach seiner Stippvisite in Warschau vergangene Woche allen Grund. Erneut sicherte ihm Polens Regierung die Unterstützung beim Streben nach der Aufnahme in Europas Wohlstandsbündnis zu. „Wir sind für eine hundertprozentige Mitgliedschaft der Türkei – ohne Wenn und Aber“, sagte Boguslaw Majewski, der Sprecher des Außenministeriums.

Während die Frage einer türkischen EU-Mitgliedschaft in Deutschland hitzig diskutiert wird, schlägt diese beim größten EU-Anwärter kaum Wellen. Polens positive Grundeinstellung zur Türkei sei in erster Linie „historisch begründet“, sagt Janusz Reiter, der Präsident des Zentrums für Internationale Beziehungen. Die Türkei habe die von 1795 bis 1918 währende Teilung Polens nie anerkannt.

Schon zu sozialistischen Zeiten seien viele Polen in den siebziger und achtziger Jahren in die Türkei gereist, hätten dort „gute Erfahrungen“ gemacht – und das Nato-Mitglied bereits damals eher als westliches denn als islamisches Land wahrgenommen.

Obwohl Polen sich vehement für einen Gottesbezug in der Präambel der EU-Verfassung stark macht, begreift sich das katholische Land laut Reiter „keineswegs als Bollwerk“ gegen den Islam. Im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich beherbergt Polen keine nennenswerte muslimische Minderheit: Die wenige tausend Mitglieder zählende Gemeinde muslimischer Nachkommen mongolischer Tatarenkrieger ist gut integriert und pflegt enge Kontakte zu ihren katholischen Nachbarn.

Die Beziehungen zwischen Polen und der Türkei würden nicht durch negative Vorurteile bestimmt, sagt Reiter. Allerdings gebe es in Polen auch keine Debatte über die Konsequenzen einer türkischen EU-Mitgliedschaft: „Die Frage, wie sich die EU nach der Aufnahme eines solch großen Landes sowohl positiv als auch negativ entwickeln könnte, wird kaum gestellt.“

Thomas Roser[Warschau]

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