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Türkei: Afghanistan-Konferenz: Drehscheibe Ankara

Afghanistan-Treffen in Istanbul: Die Türkei will Schulen bauen und Kontakte zu Taliban vermitteln.

Kurz vor der Londoner Afghanistan-Konferenz an diesem Donnerstag gewinnen internationale Bemühungen an Fahrt, Teile der Taliban zu einem Gewaltverzicht zu bewegen. Bei einem Gipfeltreffen der Präsidenten von Türkei, Afghanistan und Pakistan am Montag in Istanbul ging es unter anderem um eine Kontaktaufnahme zu den Taliban. Gastgeberin Türkei kündigte ein verstärktes Engagement auch in anderen Bereichen an. So will Ankara in Afghanistan fast 70 Schulen bauen. Ein Kampfauftrag für die 1750 türkischen Soldaten am Hindukusch steht aber nicht zur Debatte.

Offiziell lautet die Position der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, dass ein Kampfauftrag der muslimischen türkischen Nato-Soldaten der internationalen Afghanistan- Truppe im Konflikt gegen die fundamental-islamischen Taliban mehr schaden als nützen würde. Dahinter stehen die innenpolitischen Realitäten in der Türkei: Der Afghanistan-Krieg ist aus Sicht der meisten türkischen Wähler ein amerikanischer Krieg, in dem die Türkei nichts verloren hat. Erst im Dezember lehnte Erdogan den Wunsch von US-Präsident Barack Obama nach Entsendung türkischer Kampftruppen an den Hindukusch ab.

Deshalb verlegen sich die Türken aufs Zivile. Bei einem Treffen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai vor dem Istanbuler Gipfeltreffen sagte Erdogan den Bau von 68 Schulen durch die staatliche türkische Entwicklungsgesellschaft Tika zu. Hinzu kommen dreimonatige Kurse türkischer Ausbilder für afghanische Polizisten und Soldaten.

Auch auf diplomatischer Ebene verstärkt die Türkei ihre Aktivitäten. Seit drei Jahren organisiert Ankara türkisch- afghanisch-pakistanische Gipfeltreffen, um zwischen Kabul und Islamabad zu vermitteln. Beim vierten Treffen dieser Art nahmen nicht nur die Staatspräsidenten Abdullah Gül, Karsai und Asif Ali Zardari teil, sondern auch Militärs und Geheimdienstler.

In diesen Gesprächen ging es einerseits um den Aufbau von Vertrauen zwischen Afghanen und Pakistanis, die sich nicht immer grün sind. Zum anderen stand die Frage nach einer Kontaktaufnahme mit Teilen der Taliban auf der Tagesordnung. Karsai will möglichst viele Taliban dazu bringen, die Waffen niederzulegen. In London will der afghanische Präsident dazu einen Plan vorlegen, der darauf hinausläuft, kriegsmüden Taliban den Abschied von der Waffe mit Geld zu versüßen – die Initiative soll laut Medienbericht etwa eine Milliarde Dollar kosten, die unter anderem für die Schaffung von zivilen Arbeitsplätzen für Ex-Taliban ausgegeben werden sollen. Außenminister Guido Westerwelle hat einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet.

Als einziges muslimisches Nato-Land genießt die Türkei in Afghanistan mehr Glaubwürdigkeit als andere Staaten der westlichen Allianz – was einigen anderen Nationen der internationalen Schutztruppe Isaf nicht verborgen geblieben ist. 2009 protestierten türkische Militärs in Afghanistan dagegen, dass Soldaten anderer Länder mit türkischen Fahnen auf Patrouille gingen: Sie fühlten sich mit Halbmond und Stern sicherer.

„Die Isaf hat viele Fehler gemacht, es sind Zivilisten umgekommen“, sagt Esedullah Oguz, ein türkischer Afghanistan- Spezialist in Istanbul und früherer Berater der Bundeswehr für das Land. „Dagegen hat sich die Türkei auf den Wiederaufbau beschränkt.“ Laut Oguz stehen auch die Taliban den Türken positiv gegenüber. Ankaras Macht ist allerdings begrenzt, da es vor allem gute Kontakte zu Turkmenen und Usbeken hat, aber weniger zu den Paschtunen, der größten ethnischen Gruppe in Afghanistan.

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