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Türkei-Beitrittsverhandlungen: Ringen in letzter Minute

Angesichts des Streits um den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wird das Treffen der 25 EU- Außenminister an diesem Sonntag in Luxemburg mit Spannung erwartet.

Luxemburg/Berlin - Die Minister wollen versuchen, den von Österreich ausgelösten Streit in letzter Minute beizulegen. Wien verlangt die Streichung einer Passage, in der der Beitritt der Türkei als Ziel der Verhandlungen bezeichnet wird. Stattdessen solle völlig ergebnisoffen auch über eine enge Partnerschaft verhandelt werden. EU-Diplomaten halten eine Einigung für ungewiss. In diesem Fall wäre die für Montagnachmittag geplante feierliche Eröffnung der Verhandlungen geplatzt.

Die Türkei wird nach den Worten von Außenminister Abdullah Gül nicht mit der EU verhandeln, falls das Verhandlungsziel entsprechend geändert wird. Die Krise um den Verhandlungsbeginn hat das Vertrauen der Türken in die Europäische Union erschüttert. Nach einer am Samstag in türkischen Medien veröffentlichten Umfrage haben 61,4 Prozent der Türken «allgemein» kein Vertrauen in die EU. Zwar sprach sich eine Mehrheit der Befragten (57,4 Prozent) für einen EU-Beitritt aus, allerdings ging der Anteil derer, die meinen, die Türkei müsse «unbedingt» Mitglied werden, im Vergleich zum Jahr 2004 um zehn Punkte zurück.

Der EU-Chefdiplomat Javier Solana zeigte sich zuversichtlich, dass es doch noch zu einer Einigung kommt. Solana sagte der «Bild am Sonntag: «Entscheidungen, die die Türkei betreffen, sind auch in der Vergangenheit immer erst in letzter Minute getroffen worden.» Solana forderte Deutschland auf, die Türkei-Politik der rot-grünen Bundesregierung nach dem Regierungswechsel fortzusetzen.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt teilt dagegen die Vorbehalte Österreichs gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei. «Ich unterstütze mit Nachdruck den österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in seiner Haltung in der Türkeifrage. Jetzt Verhandlungen mit der alleinigen Perspektive eines Beitritts der Türkei zur Europäischen Union zu beginnen, ist aus ökonomischer Sicht nicht zu vertreten», sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) am Samstag in Berlin.

Der türkischstämmige SPD-Europaabgeordnete Vural Öger sagte dem Sender NDR-Info: «Der hinhaltende Widerstand (Österreichs) hat ganz andere Gründe, nämlich Kroatien.» Aus historischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen strebe Österreich einen schnellen EU- Beitritt Kroatiens an. Er glaube, dass es in Luxemburg zu einem «Kuhhandel» kommen werde, sagte Öger.

Mehrere tausend Kurden demonstrierten unterdessen in Brüssel für eine Mitsprache bei den Beitrittsverhandlungen. Sie forderten die EU zudem auf, einen Dialog zwischen der kurdischen Volksgruppe und der türkischen Regierung in Gang zu bringen. Das Kurdenproblem müsse auf demokratische und friedliche Weise gelöst werden. Die Demonstranten verlangten auch eine Freilassung von Kurdenführer Abdullah Öcalan aus dem Gefängnis. (tso/dpa)

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