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Türkei-Besuch: Merkels schwierige Mission

Am Donnerstag wird Bundeskanzlerin Merkel die Türkei besuchen. Keine einfache Visite, denn die Spannungen zwischen der Türkei und der EU sind gewachsen. Trotzdem ruhen große Hoffnungen auf der Kanzlerin.

Istanbul - Europäische Spitzenpolitiker haben in Ankara derzeit einen schweren Stand. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn geriet in der türkischen Hauptstadt mit Parlamentsabgeordneten aneinander, die für seine Kritik am mangelnden Reformtempo der Türkei kein Verständnis hatten und zum Gegenangriff übergingen: Sogar an der Größe von Salatgurken meckere die EU herum, schleuderten sie dem Erweiterungskommissar entgegen.

Ganz so schlimm wird es für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht kommen, wenn sie an diesem Donnerstag und Freitag erstmals seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Jahr die Türkei besucht. Doch auch wenn sich Merkel nicht mit landwirtschaftlichen Richtgrößen herumschlagen muss, werden die wachsenden Probleme zwischen EU und Türkei doch eine große Rolle in ihren Gesprächen spielen.

Bindeglied zur islamischen Welt

Die Kritik an der aus europäischer Sicht viel zu schwachen Reformpolitik der Türkei könnte bei Merkels Besuch sogar die Themen verdrängen, die beide Seiten eigentlich in den Mittelpunkt des anderthalbtägigen Besuches in Ankara und Istanbul stellen wollten. Da ist die enge und einträgliche Zusammenarbeit in der Wirtschaftspolitik - mehr als 2000 deutsche Unternehmen sind am Bosporus vertreten und haben Teil am rasanten Aufschwung der Türkei. Und da ist das Bemühen um mehr Verständnis zwischen dem Westen und der islamischen Welt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat Merkel zum "Iftar", dem Fastenbrechen im islamischen Fastenmonat Ramadan, eingeladen.

Harmonie an der "Iftar"-Tafel können Merkel und Erdogan gut gebrauchen, denn viel gegenseitiges Vertrauen haben sie bisher nicht aufbauen können. Als Merkel im Februar 2004 zum ersten Mal in die Türkei kam, warb sie als Oppositionschefin für das bei ihren Gastgebern äußerst unbeliebte Modell einer "privilegierten Partnerschaft" zwischen EU und Türkei als Alternative zum Beitritt. Dies sei ihre Haltung als CDU-Parteivorsitzende, wird in deutschen Regierungskreisen betont. Als Regierunsgchefin verfolgt Merkel nun den Leitsatz, dass geschlossene Verträge einzuhalten sind, weshalb die vor einem Jahr begonnenen Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei von der CDU-Kanzlerin nicht torpediert werden.

Türkei muss Bedingungen zu hundert Prozent erfüllen

Das heißt aber noch lange nicht, dass Merkel die Türken so tatkräftig unterstützt wie einst Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Die Türkei müsse ihre Verpflichtungen gegenüber der EU zu hundert Prozent erfüllen, hieß es in Berliner Regierungskreisen mit Verweis auf den aktuellen Streit um die Anerkennung Zyperns. Es ist für die deutsche Seite längst nicht ausgemacht, dass am Ende der Verhandlungen auch der Beitritt steht. Da die Türkei bei der Meinungsfreiheit, dem Minderheitenschutz, der Unabhängigkeit der Justiz und auf anderen wichtigen Feldern noch viel zu tun hat, dürfte Merkel ihren Gesprächspartnern klarmachen, dass noch viel Zeit vergehen wird, bis sich die Frage des Beitritts stellt.

Vor allem das Thema Zypern droht zum Sprengsatz für die türkische EU-Bewerbung zu werden. Die EU verlangt von Ankara die Öffnung der türkischen Häfen und Flughäfen für Güter aus dem EU-Staat Zypern bis Ende des Jahres. Ankara lehnt dies ab, solange die EU nicht den Handelsboykott gegen die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Zypern aufhebt. Innenpolitisch kann sich Erdogan bei diesem Thema kein großes Entgegenkommen leisten.

Merkel kann Bewegung in die Zypern-Frage bringen

Aber auch auf europäischer Seite sei in dieser Frage "kein Kompromiss möglich", hieß es in Berlin. Die EU droht der Türkei mit Konsequenzen, die bis zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen reichen könnten. Merkel werde zwar mit den Türken über das Thema Zypern reden, aber "keine goldenen Brücken bauen", sagen deutsche Regierungsvertreter.

Dabei könnte gerade Merkel in der Zypern-Frage etwas bewegen, findet der türkischstämmige Europaabgeordnete Cem Özdemir (Grüne). Die Bundesregierung solle während ihres bevorstehenden EU-Vorsitzes versuchen, diese "Kuh endlich vom Eis zu kriegen", sagte Özdemir. Merkel habe das Zeug, eine Lösung zu finden, die beiden Seiten einen Gesichtsverlust erspare. Dabei könne sie davon profitieren, dass sie "nicht gerade im Verdacht steht, besonders pro-türkisch zu sein". (Von Thomas Seibert, ddp)

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