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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan besetzt die Bürgermeisterposten mit loyalen Gefolgsleuten.

© dpa

Türkei: Erdogans alte Kampfgefährten müssen gehen

Seit 15 Jahren regiert die AKP die Türkei. Jetzt entdeckt der Präsident in seiner Partei "Materialermüdung" und baut kräftig um.

Recep Tayyip Erdogan räumt in seiner Regierungspartei AKP auf. Alte Kampfgefährten wie der Istanbuler Oberbürgermeister Kadir Topbas müssen gehen und werden durch Erdogantreue Politiker ersetzt. Auch die AKP-Bürgermeister anderer Großstädte sollen auf der Abschussliste stehen. Mit dem Feldzug gegen die eigene Partei will Erdogan das Superwahljahr 2019 vorbereiten, von dem sein eigenes politisches Schicksal abhängt. Beobachter sehen beim Präsidenten Zeichen der Panik. „Er macht Fehler auf Fehler“, sagt der Journalist und AKP-Kenner Rusen Cakir.

In den Großstädten verliert die AKP an Zuspruch

In zwei Jahren werden in der Türkei die Kommunalparlamente, die Volksvertretung in Ankara und der Präsident neu gewählt. Erst mit einer Bestätigung im Amt 2019 wird Erdogan sein Ziel der Durchsetzung weitreichender Vollmachten für sich selbst endgültig erreicht haben. Doch der äußerst knappe Ausgang des Verfassungsreferendums vom April hat dem Staatschef vor Augen geführt, dass sein Sieg alles andere als sicher ist. Insbesondere in den Großstädten wenden sich die Türken von der AKP ab. Die in wenigen Wochen erwartete Gründung einer neuen rechtskonservativen Partei unter der früheren Innenministerin Meral Aksener könnte die Situation für die AKP noch schwieriger machen. Deshalb zieht Erdogan die Zügel an. Er spricht von „Materialermüdung“ in der AKP, die seit 15 Jahren die Türkei regiert. Bei einer Parteiklausur am Wochenende betonte der Präsident, in den Rathäusern werde es „Veränderungen“ geben. Die AKP-Bürgermeister von Istanbul und Düzce, Topbas und Mehmet Keles, mussten bereits den Hut nehmen. Auch Melih Gökcek ist auf seinem Posten in Ankara womöglich nicht mehr sicher.

Alles oder nichts

Doch das Vorgehen gegen die „Materialermüdung“ täuscht eine Dynamik in der Regierungspartei vor, die es nicht mehr gibt, sagen Beobachter. Die AKP sei zu einem Erdogan-Wahlverein erstarrt und habe keine Vision mehr, sagt der Journalist Cakir, der das Innenleben der Partei seit Jahren beobachtet. Erdogan schicke nun zwar „Zwangsverwalter“ in die Bürgermeisterämter, betonte Cakir in einer Video-Analyse auf Twitter.

Dabei geht es für Erdogan in zwei Jahren um alles oder nichts. Bei der Präsidentenwahl braucht er in der ersten Runde mehr als 50 Prozent der Stimmen, ein Ziel, von dem er und die AKP derzeit weit entfernt sind. In einer zweiten Wahlrunde könnten sich andere Parteien auf einen Konsenskandidaten einigen und Erdogan besiegen. Dann würde ein anderer Politiker in den Genuss der von der AKP eigens für Erdogan geschaffenen Machtfülle des Präsidentenamtes kommen.

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