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Türkei: Erdogans Götterdämmerung

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kämpft mit der schwersten Krise der türkischen Regierung. Um nicht zu straucheln, entlässt Erdogan fast sein halbes Kabinett - und versucht, einen Mann im Ausland für allen Schaden verantwortlich zu machen.

Der Korruptionsskandal in der Türkei hat die Regierung in ihre bislang schwerste Krise gestürzt und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zu einer großen Umbildung seines Kabinetts gezwungen.

Zehn der 26 Posten im Kabinett werden neu besetzt. Vier Minister, gegen die wegen Korruptionsverdachts ermittelt wird, und weitere sechs Ressortchefs müssen gehen. Die Opposition forderte den Rücktritt der gesamten Regierung. Zu den Abgelösten gehört auch Europaminister Egemen Bagis, dessen Name in den Medien im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen genannt wurde.

Die neu berufenen Minister gelten überwiegend als loyale, langjährige Freunde des Premiers. Der Erdogan-Vertraute Bekir Bozdag wird neuer Justizminister, seinen engen Mitarbeiter Efkan Ala, bisher Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, ernannte Erdogan zum neuen Innenminister.

Vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen kommen diesen beiden Ressorts besondere Bedeutung zu. Erdogan hatte in den vergangenen Tagen auf die Korruptionsvorwürfe, die er als „Komplott“ gegen seine Regierung bezeichnete, mit umfangreichen Säuberungen im Polizeiapparat geantwortet. Mehr als 500 Beamte, die an den Ermittlungen beteiligt waren, seien bereits abgesetzt worden, berichtete die Zeitung „Zaman“.

Erdogan versuchte die Kabinettsumbildung als normalen Vorgang hinzustellen. „Einige meiner Freunde haben wegen der jüngsten Entwicklungen um ihre Entbindung gebeten, andere verlassen das Kabinett, um als Kandidaten bei der bevorstehenden Kommunalwahl anzutreten“, sagte Erdogan am Mittwochabend. Zuvor hatten Innenminister Muammer Güler und Wirtschaftsminister Zafer Caglayan ihren Rücktritt eingereicht. Ihre Söhne sollen Schmiergelder von Geschäftsleuten angenommen haben und sitzen deshalb seit dem vergangenen Wochenende in Untersuchungshaft. Die Minister wiesen die Vorwürfe zurück. Güler sprach von einer „dunklen Verschwörung“, Caglayan von einem „schmutzigen Spiel“.

Als dritter hatte am Mittwoch Umwelt- und Bauminister Bayraktar seinen Dienst quittiert. Er gehe aber keineswegs freiwillig, sagte Bayraktar. Vielmehr hätten ihm Abgesandte Erdogans ein bereits fertig formuliertes Rücktrittsschreiben zur Unterschrift vorgelegt. Gegen Bayraktar wird wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Baugenehmigungen ermittelt. Der Minister forderte Erdogan auf, ebenfalls zurückzutreten, „zum Wohl der Nation“, wie er sagte. Der Premier habe die umstrittenen Bauprojekte selbst genehmigt. Diese Anschuldigung hat besonderes Gewicht, denn Bayraktar ist ein alter Weggefährte Erdogans aus dessen Zeit als Istanbuler Bürgermeister Mitte der 1990er Jahre.

Erdogan selbst spricht weiter von einer „Verschwörung“, deren Hintermänner im Ausland säßen – ein Fingerzeig auf den islamischen Prediger Fetullah Gülen, der aus seinem Exil in den USA ein internationales Netzwerk von Bildungseinrichtungen, Wohltätigkeitsorganisationen und Medienunternehmen steuert. Der Kleriker hat in der Türkei Millionen Anhänger, ihm wird beträchtlicher Einfluss auf Polizei und Justiz nachgesagt. Gülen bestreitet, etwas mit den Korruptionsermittlungen zu tun zu haben.

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