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Politik: Türkei friert Beziehungen zu Israel ein

Zehntausende bei Trauerfeier für getöteten Gaza-Aktivisten / Regierung in Jerusalem lockert Blockade

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist eingeknickt. Er hat sich auf amerikanischen Druck hin nun doch bereit erklärt, den Güter- und Warenboykott des Gazastreifens etwas zu lockern. Allerdings scheint er nach wie vor nicht bereit zu sein, Baumaterialien wie Zement und Eisen zuzulassen – beides wollte das am vergangenen Montag gestürmte Hilfsschiff „Marmara“ in großen Mengen liefern. Die Begründung der israelischen Regierung für das weiter bestehende Einfuhrverbot: Baumaterial, Zement und Eisen könnten von der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas zum Bau von militärischen Befestigungen missbraucht werden.

Vor einem Monat hatte der israelische Staat in einer Antwort auf eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Tel Aviv erstmals zugegeben, dass eine Liste von Gütern existiert, die in den Gazastreifen trotz Abriegelung und Blockade eingeführt werden dürfen. Als Begründung für ihre vorherige Behauptung, eine solche Liste existiere nicht, hielten das Verteidigungsministerium und der Regierungskoordinator für die besetzten Gebiete fest, dass deren Veröffentlichung die „Sicherheit des Staates und selbst die Außenbeziehungen Israels gefährde“.

Wenige Tage nach dem blutigen israelischen Angriff auf den Hilfskonvoi, der die Blockade des Gazastreifens durchbrechen wollte, zeichnete sich unterdessen im Mittelmeer eine neue Konfrontation ab. Der unter irischer Flagge fahrende Frachter „Rachel Corrie“ werde an diesem Samstag versuchen, die Seeblockade zu durchbrechen und Hilfsgüter direkt nach Gaza zu bringen, kündigte eine Sprecherin an. Der Frachter „Rachel Corrie“ mit der nordirischen Nobelpreisträgerin Mairead Maguire (66) sowie rund 20 weiteren Aktivisten an Bord befand sich am Freitag rund 250 Kilometer vor der Küste Israels in internationalen Gewässern. Die propalästinensischen Aktivisten an Bord wollten nach eigenen Angaben unter keinen Umständen das Angebot Israels annehmen und die Hilfsgüter im Hafen von Aschdod löschen.

Die Türkei erwägt nach der umstrittenen Militäraktion, ihre Beziehungen zu Israel auf ein Minimum zurückzufahren. Es gebe in Militär und Wirtschaft viele Verbindungen, die nun auf den Prüfstand kämen, sagte der türkische Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc im Fernsehen: „Wir meinen es bei diesem Thema ernst.“ Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan warf Israel vor, mit seiner Militäraktion gegen eine Gaza-Hilfsflotte die eigene Religion verraten zu haben: „Das sechste Gebot lautet: Du sollst nicht töten. Haben Sie nicht verstanden?“ Er wiederholte diese Passage auf Englisch und Hebräisch. Kein Glaube und kein heiliges Buch liefere eine Rechtfertigung für die Todesfälle bei dem Einsatz, sagte er vor Anhängern seiner Partei. Zugleich stellte er sich hinter die im Gaza-Streifen regierende militante Hamas und sagte, er betrachte sie nicht als terroristisch, es handle sich vielmehr um Widerstandskämpfer, die für ihr Land kämpften: „Sie haben eine Wahl gewonnen, und jetzt sind sie in Israels Gefängnissen.“

Mit Blick auf die Wirtschaftsbeziehungen der Türkei mit Israel betonte Arinc, es sei „aber nicht unsere Art, ein ganzes Land gleich komplett aus unserem Adressbuch zu streichen“. Beide Länder treiben für 2,5 Milliarden Dollar Handel miteinander. Neue Projekte in der Landwirtschaft, der Wasser- und Energieversorgung haben ebenfalls Milliardenvolumen. Israel verkauft in großem Stil Waffen an die Türkei. Im Angesicht gemeinsamer Feinde in der Region hatten die beiden Länder in den 90er Jahren Militär- und Geheimdienstbündnisse geschmiedet.

Bei Israels Erstürmung der Hilfsflotte waren neun Türken getötet worden. Bei einer Beerdigungsfeier für einen getöteten Gaza-Aktivisten gab es in Istanbul neue Proteste gegen Israel. Zu der Trauerzeremonie versammelten sich mehr als 20 000 Menschen, viele mit türkischen und palästinensischen Fahnen.mit dpa und rtr

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