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Türkei: Gül fällt durch - Verfassungsgericht muss entscheiden

Abdullah Gül hat eine Mehrheit im ersten Wahlgang bei der Staatspräsidentenwahl verfehlt. Da zudem zu wenig Abgeordnete in der Nationalversammlung zugegen waren, muss nun das Verfassungsgericht über den weiteren Verlauf entscheiden.

Ankara - Bei der Staatspräsidentenwahl in der Türkei wird aller Voraussicht nach das Verfassungsgericht über den weiteren Verlauf entscheiden. Außenminister Abdullah Gül, einziger Kandidat der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, verfehlte die in der ersten Runde erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Für den 56-Jährigen stimmten 357 Abgeordnete der 550 Sitze zählenden Nationalversammlung. Oppositionsführer Deniz Baykal von der Republikanischen Volkspartei CHP kündigte an, seine Partei werde den Wahlgang vor dem Verfassungsgericht anfechten. Die CHP, die keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hatte, vertritt den Standpunkt, dass mindestens zwei Drittel der Abgeordneten (367) am ersten Wahlgang hätten teilnehmen müssen. Bei der Abstimmung waren aber nur 361 Abgeordnete zugegen.

Opposition: Wahl nicht gültig

Zwischen Opposition und Regierung ist eine heftige Kontroverse darüber entbrannt, was die türkische Verfassung über das erforderliche Quorum bei einer Präsidentenwahl aussagt. Während die CHP auf die Zahl von 367 Abgeordneten pocht, hält die AKP ein Drittel der Parlamentsmandate (184 Abgeordnete) für eine gültige Wahl für ausreichend. Noch kurz vor der ersten Wahlrunde hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an die Abgeordneten appelliert, "auf die Stimme des Volkes und des Gewissens zu hören".

Wie das Verfassungsgericht entscheiden wird, war völlig offen. Gerichtspräsidentin Tülay Tugcu hatte bereits früher angedeutet, dass das Gericht noch vor der am 2. Mai geplanten zweiten Wahlrunde entscheiden könnte. Sollte die Opposition mit ihrer Klage Erfolg haben, werden vorgezogene Parlamentswahlen nicht ausgeschlossen. Regulär sind diese für November vorgesehen.

Im dritten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit

Auf eine eigene Kandidatur zum Staatspräsidenten hatte Erdogan vor dem Hintergrund massiver Proteste im Land verzichtet. In Ankara waren Mitte April Hunderttausende auf die Straße gegangen, um für eine laizistische Türkei und gegen eine Kandidatur Erdogans zu demonstrieren. Politische Gegner halten Erdogan vor, er strebe eine Islamisierung der Türkei an und wolle die in der Verfassung festgeschriebene Trennung von Staat und Religion aufweichen.

Sollte das Verfassungsgericht die Rechtmäßigkeit des ersten Wahlgangs bestätigen, gilt eine Wahl Güls zum Staatspräsidenten als sicher. Die nächsten Wahlgänge sind für den 2. und 9. Mai angesetzt. Während in der zweiten Runde nochmals eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, reicht der AKP mit ihren 353 Abgeordneten im dritten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die siebenjährige Präsidentschaft des derzeitigen Amtsinhabers Ahmet Necdet Sezer endet am 15. Mai. (tso/dpa)

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