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Türkei: Gute Nachbarschaft macht mächtig

Dass Erdogan für den Iran Partei ergreift, hat vor allem regionalpolitische Gründe. Warum Ankara den Umgang mit dem Iran kritisiert.

Kritik am Westen gehört zur neuen türkischen Außenpolitik – dies, und nicht eine etwaige Unterstützung der Türkei für den Bau einer iranischen Atombombe stecken hinter den jüngsten Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan über den Umgang des Westens mit dem Iran. Die Regierung in Teheran sei ein Freund der Türkei, der vom Westen unfair behandelt werde, betonte er.

Erdogans Äußerungen wurden kurz vor einem Besuch in Teheran veröffentlicht. Seine Kritik an der angeblichen Scheinheiligkeit der Atommächte im Streit um das iranische Atomprogramm dürfte bei den Gastgebern gut ankommen. Dabei ist auch die Türkei besorgt angesichts der Möglichkeit, dass der östliche Nachbar Iran eines Tages die Bombe bauen könnte. Erst vor wenigen Wochen kündigte die türkische Armee den Kauf von Raketenabwehr-Batterien des US-Typs Patriot oder eines anderen Herstellers an.

Dass Erdogan trotz dieser Befürchtungen für den Iran Partei ergreift, hat vor allem regionalpolitische Gründe. Die Türkei hat sich das Ziel gesetzt, als wirtschaftlich stärkste und bevölkerungsreichste Nation zu einer Führungsmacht der Region zu werden. Nach Ankaras Verständnis bedeutet dies zu allererst, ein gutes Verhältnis zu allen Nachbarn aufzubauen – insofern sind die kürzlich beschlossene Annäherung der Türkei an Armenien und Erdogans Äußerungen über den „Freund“ Iran zwei Seiten derselben Medaille. Auch die jüngste Krise im Verhältnis zwischen der Türkei und Israel war unter anderem eine Folge des regionalen Führungsanspruchs der Türkei.

Zudem sprach der türkische Premier mit seinen Äußerungen ein in der ganzen islamischen Welt vorhandenes Gefühl an: Während der Westen nichts gegen das israelische Atombombenprogramm unternehme, wolle er eine iranische Bombe unbedingt verhindern, lautet der Vorwurf.

Der Iran selbst ist noch unschlüssig, ob er einen Kompromiss im jahrelangen Streit um sein Atomprogramm annehmen will. Teheran erörtere den in der Vorwoche in Wien unterbreiteten Vorschlag und wolle sich „bald“ dazu äußern, sagte Außenminister Manuchehr Mottaki am Montag. Dort war dem Iran bei Gesprächen bei der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO angeboten worden, einen Großteil seines Urans in Russland anreichern zu lassen. Der fertige – für Atombomben nicht hoch genug angereicherte – Brennstoff könnte dann wieder in den Iran gebracht werden.

In dieser Woche sollen in Genf weitere Gespräche zu dem Thema mit den fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitgliedern plus Deutschland geführt werden.  Möglicherweise werde sich der Iran für eine Doppellösung entscheiden, deutete Mottaki im Gespräch mit der Agentur Irna an. „Wir könnten einen Teil des Brennstoffs kaufen und gleichzeitig Teile unseres niedrig angereicherten Urans liefern“, sagte er. Er wies Befürchtungen des Westens zurück, nach denen der Iran mit seinen Anlagen zur Urananreicherung eigene Atomwaffen herstellen könnte.

IAEO-Experten setzten die Inspektion einer jahrelang vom Iran geheim gehaltenen Atomanlage fort. „Die Untersuchungen gehen weiter, und wir haben kein Problem damit“, sagte Mottaki. mit dpa

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