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Türkei: Kabinettsumbildung Erdogan wechselt aus

Der türkische Premier will sein Kabinett umbilden – und einen umstrittenen Außenminister benennen. Mit der ersten größeren Kabinettsumbildung seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren will der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan versuchen, bei den Wählern im eigenen Land und bei der EU verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Mit der ersten größeren Kabinettsumbildung seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren versucht der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, bei den Wählern im eigenen Land und bei der EU verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Acht bisherige Minister verloren am Freitag ihre Posten; das neue Kabinett umfasst Reformer, aber auch Vertreter des konservativ-islamischen Lager sowie enge Erdogan-Vertraute. Wichtigstes neues Gesicht in der Regierung ist der bisherige Erdogan-Berater Ahmet Davutoglu, der neuer Außenminister wurde.

Bei den Kommunalwahlen Ende März war Erdogans Regierungspartei AKP auf 39 Prozent der Wählerstimmen abgesackt. Damit blieb sie zwar die stärkste politische Kraft im Land, verlor aber im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen vor zwei Jahren rund acht Prozentpunkte. Nach seitdem veröffentlichten Umfragen liegt die AKP inzwischen bei nur noch 33 Prozent. Demnach rechnet fast die Hälfte der Wähler damit, dass die AKP bei den kommenden Wahlen weiter an Stimmen verliert. Die nächste Parlamentswahl steht spätestens in drei Jahren an.

Viele Türken halten der Regierung vor, zu wenig gegen die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise auf die Türkei zu tun. Der bisherige Außenminister Ali Babacan kehrt deshalb als eine Art Superminister in die Wirtschaftspolitik zurück, die er als Chef des Wirtschaftsressorts bereits von 2002 bis 2007 gestaltet hatte. Babacan soll vor allem möglichst bald ein neues Übereinkommen mit dem Internationalen Währungsfonds aushandeln. Der bisherige Wirtschaftsminister Mehmet Simsek rückte an die Spitze des Finanzministeriums, dessen bisheriger Chef Kemal Unakitan das Kabinett verlassen musste.

Neu im Kabinett als Vize-Premier ist der ehemalige Parlamentspräsident Bülent Arinc, ein führender Vertreter des islamistischen AKP-Flügels. Die einzige Frau im Kabinett, die bisherige Frauenministerin Nimet Cubukcu, rückte zur Bildungsministerin auf. Der erst kürzlich ernannte erste EU-Minister der Türkei, Egemen Bagis, blieb auf seinem Posten.

Der neue Außenminister Davutoglu gilt als Impulsgeber der in den vergangenen Jahren verstärkten Bemühungen der Türkei um mehr Einfluss im Nahen Osten. Davutoglu hatte in diesem Zusammenhang bereits mehrmals Kontakte zu Gruppen geknüpft, die im Westen mit Misstrauen betrachtet werden. Kurz vor der Bekanntgabe der Kabinettsumbildung am Freitag gab es ein neues Beispiel dafür: Der irakische Schiitenführer Muktada al-Sadr kam zu Gesprächen mit Erdogan nach Ankara; al-Sadr galt lange als unversöhnlicher Gegner der USA, hatte seine Haltung zuletzt aber etwas abgemildert.

Davutoglus Ernennung dürfte die Debatte über eine mögliche Abwendung der Türkei vom Westen neu anheizen. Unter anderem um diesen Eindruck zu zerstreuen, arbeitet die AKP an einem neuen Reformpaket, das in Kürze ins Parlament eingebracht werden soll. Es sieht unter anderem die Einführung eines von der EU geforderten Ombudsmann-Systems sowie Verfassungsänderungen zur Stärkung der Bürgerrechte vor. Auch sollen Parteiverbote erschwert werden – ein wichtiges Thema für die AKP, die erst im vergangenen Jahr nur knapp einem Verbot entging.

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