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Türkei: Kurdenkonflikt: Die Friedensbotschaft der weinenden Mütter

Während türkische Politiker über neue Schritte in der Kurdenpolitik reden, haben zwei Frauen im südostanatolischen Kurdengebiet etwas getan, was noch viel wertvoller sein könnte: Sie haben zusammen geweint.

Zeynep Yalcin verlor ihren Sohn, als dieser als Soldat im Kampf gegen die Kurdenrebellen von der PKK fiel. Kumri Bilgi ist die Mutter eines PKK-Mitgliedes, das von den Sicherheitskräften getötet wurde. Obwohl sie im Kurdenkonflikt auf zwei gegnerischen Fronten stehen, versöhnten sich die Frauen jetzt symbolisch - und rührten damit die ganze Türkei.

Dass die Familien Yalcin und Bilgi überhaupt zusammenkamen, ist ein Zeichen für eine neue gesellschaftliche Atmosphäre in der Türkei. Seit Monaten debattieren Politiker und Medien in einer bisher nie gekannten Offenheit über Wege zu einer friedlichen Beendigung des Kurdenkonflikts. Das Treffen der Yalcins und Bilgis stellte nun einen weiteren Schritt dar: "Die Mutter eines Märtyrers und eines PKK-Kämpfers Seite an Seite", stellte eine Zeitung lobend fest.

"Wir wollen, dass weder Soldaten noch PKK-Leute getötet werden", sagte Kumri Bilgi. Yusuf Yalcin, der Ehemann von Zeynep Yalcin, äußerte sich ähnlich: "Unsere Herzen wurden gebrochen. Das soll keinem Vater und keiner Mutter mehr geschehen." Arrangiert hatte das Treffen eine Delegation des Provinzparlamentes im südostanatolischen Sirnak. Keine andere Provinz hat so viele Menschen verloren, seit die PKK 1984 zu den Waffen griff. Insgesamt wurden seitdem rund 40.000 Menschen getötet.

Auch in anderen Teilen der Türkei gibt es Versöhnungsinitiativen. Mütter von "Märtyrern" aus Ankara reisten nach Diyarbakir, die größte Stadt des Kurdengebietes, und besuchten einen Verein, dem viele Mütter getöteter PKK-Kämpfer angehören. Die PKK-Müttern schenkten den Besuchern weiße Kopftücher, eine traditionelle Friedensgeste.

Diese Friedensbotschaften passen in eine Zeit, in der die Politik in der Türkei nach neuen Wegen in der Kurdenpolitik sucht. In der vergangenen Woche traf sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erstmals mit dem Chef der Kurdenpartei DTP, Ahmet Türk, um über das Thema zu sprechen. Die Unterredung hatte enorme symbolische Bedeutung, denn mit ihr zeigte die Regierung nicht nur, dass sie bei der Suche nach einer Lösung bereit ist, den Kurden zuzuhören. Sie knüpfte auch ganz offiziell Kontakte mit einer Partei, die von der Justiz als verlängerter Arm der PKK betrachtet wird.

Erdogan sprach mit Türk über eine geplante Initiative der Regierung zur Beendigung des Kurdenkonflikts. Nach Presseberichten will Ankara unter anderem bestehende Einschränkungen beim öffentlichen Gebrauch der türkischen Sprache aufheben, öffentliche Investitionen im verarmten Kurdengebiet verstärken und rückkehrwilligen PKK-Mitgliedern verbesserte Amnestiebedingungen anbieten.

Nicht nur Ankara feilt an einem Plan. Der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan will zum 25. Jahrestag des ersten bewaffneten Anschlags seiner Rebellen am 15. August 1984 eine "Road Map" zur Kurdenfrage veröffentlichen. Ankara akzeptiert den PKK-Chef zwar nicht als Gesprächspartner, doch die Regierung Erdogan dürfte sehr aufmerksam studieren, was Öcalan zur endgültigen Einstellung des bewaffneten Kampfes zu sagen haben wird. Familien wie die Yalcins und die Bilgis hoffen, dass der Durchbruch zur Beilegung des Konflikts unmittelbar bevorsteht.

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