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Türkei: Medienunternehmer Dogan gibt Kampf gegen Erdogan auf

Der türkische Unternehmer Dogan, Chef des Medienkonzerns zu dem auch die Tageszeitung "Hürriyet" gehört, tritt zurück. Vorausgegangen war ein verbissener Streit mit der Regierung in Ankara. Dabei geht es nicht nur um Steuernachforderungen in Milliardenhöhe.

Mit einer schriftlichen Mitteilung an die Istanbuler Börse endete kurz vor Jahreswechsel eine der bemerkenswertesten Karrieren der türkischen Wirtschaftsgeschichte. Aydin Dogan, der 73-jährige Gründer und Chef eines nach ihm benannten Medienkonzerns und einer der mächtigsten Männer des Landes, tritt zurück und überlässt seiner 44-jährigen Tochter Arzuhan Dogan Yalcindag das Feld.

Im Dogan-Konzern, der 18.000 Menschen beschäftigt und der neben Zeitungen wie „Hürriyet“ und Fernsehsendern wie CNN-Türk auch Tankstellen und Hotels betreibt, vollzieht sich mehr als ein Generationswechsel. Dogans Rücktritt gilt als Zeichen dafür, dass der Konzern in einem verbissenen Streit mit der Regierung in Ankara nachgeben will. Dabei geht es um Steuernachforderungen in Milliardenhöhe, Druck aus Ankara – und um den Vorwurf, dass Dogans Medien die Regierung Erdogan aus unlauteren Gründen sturmreif schießen wollen.

Dogan soll nach dem Willen der Steuerbehörden umgerechnet rund zwei Milliarden Euro an Strafe zahlen. Kritiker im In- und Ausland, darunter die EU-Kommission in Brüssel, werten die Rekordstrafe für den Konzern als politisches Druckmittel und als Gefährdung der Pressefreiheit in der Türkei. Schließlich wurde die Rekordstrafe verhängt, nachdem die Dogan-Medien die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Jahren mehrfach heftig attackiert hatten.

Nach Dogans Rücktritts wird nun erwartet, dass der Konzern energischer als bisher nach einer einvernehmlichen Lösung im Steuerstreit sucht. Das glauben jedenfalls die Investoren an der Istanbuler Börse, die den Wert von Dogan-Aktien in den letzten Tagen des alten Jahres sprunghaft ansteigen ließen. Eine Einigung zwischen dem Dogan-Konzern und den Berhörden ist auch Voraussetzung für ein stärkeres Engagement des deutschen Springer-Konzerns bei dem türkischen Unternehmen.

Dafür, dass Dogan im Streit mit der Regierung einlenken will, spricht auch eine andere Personalentscheidung im Konzern: Zeitgleich mit Aydin Dogan trat Ertugrul Özkök als Chefredakteur des Dogan-Flaggschiffs „Hürriyet“ von seinem Posten zurück.

Özkök hatte „Hürriyet“ in den vergangenen Jahren auf eine regierungskritische Linie gesteuert, die nicht immer von journalistischen Grundsätzen gedeckt war, sondern zeitweise polemische und ideologische Züge trug. Im Machtkampf zwischen Erdogans fromm-konservativen Gefolgsleuten und den säkulären Eliten des Landes schlug sich Özkök klar auf die Seite der Regierungsgegner und besonders der Militärs. Das hat ihm Erdogan nicht vergessen.

Einen Höhepunkt erreichte Özköks Art der Berichterstattung im Frühjahr 2008, als das Parlament in Ankara mit den Stimmen der Erdogan-Partei AKP und der Rechtsnationalisten die Zulassung des islamischen Kopftuches an den Universitäten des Landes beschloss. „411 Stimmen für das Chaos“, titelte „Hürriyet“ am Tag nach dem Parlamentsvotum. Wenig später hoben die Erdogan-Gegner im Verfassungsgericht die Kopftuchfreiheit wieder auf.

Als die Dogan-Medien dann Erdogans Partei auch noch mit einem Spendenskandal in Deutschland in Verbindung brachten, brach zwischen Regierung und Medienkonzern offener Krieg aus. Der Premier, der ohnehin recht dünnhäutig auf Kritik reagiert, rief seine Anhänger mehrfach auf, Dogan-Medien zu boykottieren. Dann wurden die Finanzbehörden aktiv.

Erdogan weist den Vorwurf zurück, die Regierung wolle Dogans Unternehmen mit den Steuerforderungen in die Knie zwingen. Der Premier hält dem Medienzaren vor, dieser habe seine Zeitungen auf die Regierung gehetzt, weil Ankara die Wünsche des Konzerns auf anderen Geschäftsfeldern nicht erfüllen wollte.

Nun wird „Hürriyet“ möglicherweise nicht mehr aus allen Rohren gegen die Regierung schießen. Özkök wurde von Enis Berberoglu abgelöst, dem bisherigen Bürochef der Zeitung in Ankara. Anders als Özkök gilt Berberoglu als Liberaler und als Verfechter einer stärkeren Demokratisierung der Türkei. Schon spekulieren andere türkische Medien über die Ablösung weiterer säkulärer Hardliner bei „Hürriyet“. Zum ersten Mal seit langem dürfte sich Erdogan über Nachrichten aus dem Hause Dogan freuen.

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