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© AFP

Türkei: Signale nach dem Sieg

Premierminister Erdogan sendet deutliche Signale an Europa und an die Wirtschaft. Er will die Reformer ins Kabinett befördern.

So mancher Türke erkennt Recep Tayyip Erdogan seit Sonntag nicht wieder. Aus dem aggressiven Wahlkämpfer ist plötzlich ein landesväterlich auftretender Staatsmann geworden. Der Premier kündigt Treffen mit seinen politischen Gegnern an und spricht von Kompromissen in der heftig umstrittenen Präsidentenfrage: Alles, was er noch letzte Woche auf den Marktplätzen über die anderen Parteien gesagt habe, sei vergessen und vorbei, verkündete der 53-Jährige. „Wir schlagen eine neue Seite auf.“ Zu der neuen Seite gehört auch Erdogans neues Kabinett, das in den kommenden Wochen die Arbeit aufnehmen soll. Die Namen, die für Schlüsselpositionen genannt werden, sind deutliche Signale an Europa und an die Wirtschaft: Junge Reformer stehen in den Startlöchern.

Mit 340 Abgeordneten im Parlament ist Erdogans AK-Partei zwar die bestimmende Kraft, doch fehlen ihr für die Wahl des Staatspräsidenten noch mindestens 27 Mandate. Deshalb ist Erdogan auf einen Kompromiss angewiesen. Die große Frage ist, ob Erdogans Außenminister Abdullah Gül an seiner Präsidentschaftskandidatur festhält. In Ankara wird spekuliert, dass Gül seinen Verzicht auf die Präsidentschaft verkünden wird, um die Suche nach einem Konsenskandidaten im neuen Parlament zu erleichtern.

Eine Bemerkung Erdogans fachte diese Spekulationen noch weiter an: Für ihn sei sehr wichtig, was Gül selbst über die Zukunft seiner Kandidatur denke, sagte er. Damit habe Erdogan angedeutet, dass der Außenminister seine Präsidentschaftsambitionen aufgeben könnte, kommentierten die Zeitungen. Als möglicher Konsenskandidat ist der bisherige Vizepremier Abdüllatif Sener im Gespräch, der selbst bei den oppositionellen Kemalisten als annehmbar gilt. Der neue Anlauf für die Wahl des Staatspräsidenten im Parlament wird Anfang September erwartet.

Falls sich Gül entschließen sollte, seine Präsidentschaftskandidatur aufzugeben, ist ihm der Verbleib im Außenamt sicher. Doch auch für den Fall, dass Gül das Außenministerium in Richtung Präsidentenpalast verlassen sollte, hat Erdogan vorgesorgt. Der bisherige Verhandlungsführer der türkischen EU-Beitrittsgespräche, der 40-jährige Ali Babacan, wird ebenso als Kandidat für den Außenministerposten genannt wie Erdogans außenpolitischer Berater, Egemen Bagis, der mit seinen 37 Jahren als einer der hellsten Köpfe in der Umgebung des Premier gilt. Babacan wie Bagis sind überzeugte Verfechter des türkischen Europakurses.

Ein Favorit für einen Spitzenposten in der Wirtschafts- oder Finanzpolitik ist der 40-jährige Banker Mehmet Simsek. Der bei der Wirtschaft beliebte Finanzminister Kemal Unakitan dürfte sein Amt behalten. Die junge Soziologin Edibe Sözen ist als Tourismusministerin im Gespräch; neben Frauenministerin Nimet Cubikcu, die ihren Posten behalten dürfte, wäre Sözen die zweite Frau im Kabinett.

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