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Türkei: Solana unterstützt Gül

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hat sich überraschend deutlich hinter die Präsidentschaftskandidatur Abdullah Güls gestellt. Die Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Erdogan gingen weiter.

Hamburg/Manisa - Solana sei überzeugt, dass Gül "auch als Präsident der Türkei seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen" werde, sagte Solana der "Bild am Sonntag". In der Türkei gingen erneut zehntausende Menschen gegen Güls gemäßigt islamistische Regierungspartei AKP auf die Straße. Sie forderten eine klare Trennung von Staat und Religion. Die Mutterlandspartei und die Partei des rechten Weges aus dem Mitte-rechts-Spektrum kündigten mit Blick auf die vorgezogene Parlamentswahl im Juli ihren Zusammenschluss an.

Eine stabile Türkei müsse auch weiterhin helfen, "wenn es um die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten Irak und Iran oder um die Lösung des Nahostkonflikts geht", betonte Solana. Gül habe als Außenminister diese Rolle sehr erfolgreich ausgefüllt. In der westtürkischen Kleinstadt Manisa gingen zehntausende Menschen aus Protest gegen die von ihnen befürchtete schleichende Islamisierung des Landes auf die Straße. Sie riefen Parolen wie "Die Türkei ist laizistisch und soll es auch bleiben". Die Demonstranten trugen türkische Fahnen und Porträts des Staatsgründers Kemal Atatürk, der die Trennung von Religion und Staat in der Verfassung verankert hatte.

Gül von Unterstützung seiner Partei überzeugt

Manisa ist der Wahlkreis des einflussreichen AKP-Politikers und Parlamentspräsidenten Bülent Arinc. Dieser hatte mit seiner Äußerung, der Nachfolger des derzeitigen weltlich orientierten Präsidenten Ahmet Necdet Sezer werde ein "Gläubiger" sein, eine heftige Kontroverse ausgelöst. Auch in der Stadt Canakkale demonstrierten zehntausende AKP-Gegner. Zuletzt waren in Ankara und Istanbul jeweils mehr als eine Million Menschen zur "Verteidigung der Republik" auf die Straße gegangen. Gül äußerte sich unterdessen trotz der Kritik an seiner Partei überzeugt, dass die Türken sich in einer Volksabstimmung für ihn als Präsidenten entscheiden würden. Er werde von 70 Prozent der Bevölkerung unterstützt, sagte er der britischen Zeitung "Financial Times". Die AKP hatte vorgeschlagen, den Präsidenten künftig in einer direkten Wahl bestimmen zu lassen. Gül bestätigte in dem Interview, in diesem Fall für seine Partei antreten zu wollen. "Ich würde in der ersten Runde die Mehrheit bekommen", sagte er.

Das türkische Verfassungsgericht hatte die erste Runde der Präsidentenwahl, die nach dem bisher geltenden Verfahren im Parlament abgehalten wurde, in der vergangenen Woche für ungültig erklärt. Am Sonntag will die AKP von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan einen weiteren Versuch unternehmen, Gül vom Parlament zum Staatschef wählen zu lassen. Die Opposition kündigte einen erneuten Boykott an, weshalb die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zu erreichen sein dürfte. Für den Fall eines erneuten Scheiterns im ersten Wahlgang will Gül seine Kandidatur zurückziehen.

Güls Kandidatur ist in der Türkei umstritten

Güls Kandidatur für das Präsidentenamt ist in der Türkei äußerst umstritten. Viele Türken befürchten eine zu große Machtstellung der AKP, wenn die Partei zusätzlich zum Ministerpräsidenten auch den Staatschef stellen sollte. Der Vorsitzende der Mutterlandspartei (ANAP), Erkan Mümcu, teilte mit, seine Gruppierung und die Partei des rechten Weges (DYP) würden bei der Parlamentswahl Ende Juli als "Demokratische Partei" antreten. Beide Parteien hoffen auf diese Weise die für den Einzug ins Parlament geltende Zehn-Prozent-Marke überspringen zu können. An ihr waren sie jeweils gescheitert, als sie bei der letzten Parlamentswahl 2002 getrennt kandidierten. Die AKP erreichte damals 34 Prozent der Stimmen und damit zwei Drittel der Mandate.

ANAP und DYP verfügen derzeit jedoch über 24 Abgeordnete, die während der laufenden Legislaturperiode mit anderen Parteien, insbesondere der AKP, brachen. Die um vier Monate vorgezogene Parlamentswahl soll einen Ausweg aus der derzeitigen Machtprobe zwischen dem religiösen und dem weltlichen, kemalistischen Lager weisen. Zu letzterem gehört auch die Armee, die in den vergangenen Jahrzehnten bereits vier Mal die gewählte Regierung aus dem Amt stürzte. (tso/AFP)

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