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Türkei und Syrien: Feindliche Nachbarn

Ein Anschlag mit neun Toten erschüttert die Türkei. Politiker beschuldigen die kurdische Terrororganisation PKK und vermuten syrische Unterstützung. Wird die Türkei nun militärisch in Syrien intervenieren?

Szenen wie im Krieg spielten sich am Montagabend in der südosttürkischen Großstadt Gaziantep ab. Eine gewaltige Explosion erschütterte ein ganzes Stadtviertel, ein Bus ging in Flammen auf. Eine Autobombe, versteckt in einem gestohlenen Pkw, der wenige Minuten vor der Detonation von einem Abschleppwagen zum Tatort gebracht wurde, hatte den Bus und ein anderes Fahrzeug zerrissen. Neun Menschen, darunter vier Kinder im Alter zwischen anderthalb und zwölf Jahren, starben in den Flammen.

Die Stadt Gaziantep galt bisher als Insel der Ruhe im türkischen Kurdengebiet. Doch die Grenze zum Unruheland Syrien liegt nur 50 Kilometer südlich von Gaziantep – von dort könnten die Bombenleger gekommen sein, glauben türkische Politiker. Sie machen den syrischen Geheimdienst mitverantwortlich für das Blutbad.

Der Anschlag von Gaziantep macht daher eine türkische Intervention im Nachbarland wahrscheinlicher. Ankara und die syrische Exilopposition haben nach eigenen Angaben starke Hinweise darauf, dass sich die Kurdenrebellen von der PKK entlang der türkischen Grenze im Norden Syriens festsetzen. Zum Teil geschehe das mit Zustimmung der Regierung in Damaskus, die auf diese Weise die Unterstützung der Türkei für die Assad-Gegner beantworte, sagen sie. Samil Tayyar, ein Mitglied der Regierungspartei AKP und Parlamentsabgeordneter aus Gaziantep, sieht den Anschlag als gemeinsame Aktion von PKK und syrischem Geheimdienst. Er sprach am Dienstag von Erkenntnissen, wonach sich syrische Agenten unter die Flüchtlinge gemischt haben, die in den vergangenen Monaten aus Syrien in die Türkei gekommen sind.

Tayyar ist mit seinen Anschuldigungen nicht allein. Innenminister Idris Naim Sahin sprach von „in- und ausländischen Verbindungen“ der Attentäter.

Die PKK distanzierte sich umgehend von dem Anschlag. Doch Ziya Meral, ein Türkei-Experte in London, wies per Nachrichtendienst Twitter darauf hin, dass die PKK stets jede Verantwortung für Anschläge zurückweise, bei denen Zivilisten ums Leben kämen. Meral sagte voraus, dass sich bald eine PKK-Splittergruppe zu der Bombe bekennen werde. Laut Medienberichten zündeten die Täter die Autobombe von Gaziantep nach einem Treffen von Regierungspolitikern in der Stadt, bei dem es um die PKK und um Syrien ging.

Die Bilder des Bombenanschlages in der Türkei:

Ein Terror-Export aus Syrien in die Türkei gehört zu den Entwicklungen, die Ankara zu einer Intervention im Nachbarland veranlassen könnten. Erdogan drohte bereits vor Wochen mit Militärschlägen gegen PKK-Stellungen in Syrien. Außenminister Ahmet Davutoglu und US-Außenministerin Hillary Clinton vereinbarten kürzlich in Istanbul gemeinsame Vorbereitungen für den Ernstfall. Für die Amerikaner steht die Gefahr im Mittelpunkt, dass Syriens Arsenal an chemischen und biologischen Waffen eingesetzt werden oder in die Hände von Al Qaida fallen könnte.

Die Türkei sieht zwei andere Risiken: Das eine ist ein Flüchtlingsansturm, der die türkischen Kapazitäten zur Unterbringung der Menschen überfordern würde. Davutoglu nannte jetzt die Zahl von 100 000 Flüchtlingen als kritische Schwelle; derzeit leben 70 000 Syrer in türkischen Auffanglagern. Die Türkei wirbt deshalb ab dieser Grenze für die Schaffung einer UN-Schutzzone. Nach Presseberichten sind die Einsatzpläne der Türken für solch militärisch gesicherte Schutzzonen auf syrischem Gebiet fertig.

Die zweite Gefahr für Ankara ist eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der Türkei durch Terrorakte wie den in Gaziantep. Die Armee hat zusätzliche Truppenverbände in Grenznähe zusammengezogen. Eine politische Entscheidung zur Intervention gebe es aber noch nicht, betonen türkische Regierungsvertreter.

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