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Türkisch-kurdischer Konflikt: Schwere Spannungen zwischen USA und Türkei

Ankara fordert von US-Präsident Bush Hilfe gegen PKK-Angriffe aus dem Nordirak - Washington erwartet dagegen eine Mäßigung Erdogans.

Für die Türkei beginnen die wichtigsten sieben Tage des Jahres. US-Außenministerin Condoleezza Rice will diese Woche bei Gesprächen in Ankara und Istanbul eine türkische Invasion im Norden Iraks verhindern. Anschließend plant Premier Recep Tayyip Erdogan eine USA-Reise. Mit George W. Bush will er am 5. November über ein Vorgehen gegen die PKK im Nordirak sprechen. Laut Erdogan haben die USA bisher keine konkreten Vorschläge gemacht. US-Medien berichten dagegen, Bush habe die Stationierung von US-Truppen an der Grenze angeboten. Das habe die Türkei jedoch abgelehnt. Ankara droht, Erdogans Besuch bei Bush platzen zu lassen, wenn der ihm nicht weiter entgegenkomme. Die Türkei könne auch früher als erwartet ihren Einmarsch in den Nordirak beginnen.

Die US-Regierung muss drei Beteiligte zufriedenstellen: die Türkei, die irakische Regierung in Bagdad, die jedoch in den Kurdengebieten keinerlei Einfluss hat, und die kurdische Provinzregierung im Nordirak. Vor wenigen Tagen hatte Ankara ein Maßnahmenbündel der irakischen Regierung gegen die PKK als unzureichend abgelehnt. Ankara droht mit einem Einmarsch, weil die PKK vom Norden des Irak aus Anschläge in der Türkei verübe. Nach ihren Angriffen zieht sie sich auf irakisches Territorium zurück.

Die Türken werfen dem Irak vor, die PKK könne sich im Norden fast ungehindert bewegen. Auch der PKK-Nachschub in der Region funktioniere ungestört. Die Kurden im Nordirak genießen seit Jahren Autonomie. Ihre beiden führenden Parteien, PUK und KDP, hatten am Dienstag erklärt, sie wollten gemeinsam mit Iraks Regierung und den US-Truppen die Grenze besser sichern und PKK-Angriffe in der Türkei verhindern.

Nach türkischen Medienberichten prüft Washington die Möglichkeit von US-Luftangriffen auf PKK-Lager, um die Türkei vom Einmarsch abzuhalten. In Rices Gesprächen mit der türkischen Regierung am Donnerstag in Ankara und bei der folgenden Konferenz von Irakanrainern in Istanbul am Freitag und Samstag müsse Tacheles geredet werden, erwarten türkische Medien. Erdogan sagte, er erwarte von seinem Treffen mit Bush am Montag „konkrete Schritte“ gegen die PKK und einen verbindlichen Aktionsplan der Amerikaner. „Die Türkei ist mit ihrer Geduld am Ende.“ „Wir können uns auch selbst verteidigen.“ Eine Zeitung berichtete, Erdogans Reise in die USA sei noch nicht sicher. Für die Delegation seien noch keine Hotelzimmer in Washington reserviert worden.

Der Druck auf Erdogan, der türkischen Armee freie Hand für einen Einmarsch zu geben, hält unvermindert an. Die Opposition fordert die Einrichtung eines türkischen „Sicherheitskorridors“ auf der irakischen Seite der Grenze – also eine dauerhafte Besetzung irakischen Territoriums.

In der ganzen Türkei wachsen die Spannungen zwischen Türken und Kurden. Fast täglich gibt es Demonstrationen gegen die PKK. Türkische Nationalisten nutzen sie, um Kurden anzugreifen. In Bursa in der Nordwesttürkei wurden Geschäfte kurdischer Besitzer geplündert. Erdogan rief die Bürger am Dienstag zur Mäßigung auf.

Die US-Medien berichten in einer völlig anderen Tonlage über den Konflikt. Bushs Regierung müsse offiziell Verständnis für die Türkei und die Regierung Erdogan zeigen. Denn ein Großteil des US-Nachschubs für den Irakeinsatz laufe über Militärbasen in der Türkei. Ankara habe gedroht, die Genehmigungen einzuschränken, wenn die USA die türkischen Forderungen nicht erfüllten.

Tatsächlich wachse der Ärger über die Türkei, schreiben US-Medien. Das ist auch in Gesprächen mit Regierungsvertretern unüberhörbar. Die Türkei gilt zunehmend als unzuverlässiger Verbündeter. Die Regierung Erdogan schüre den Nationalismus, statt ihn zu mäßigen. Beim Aufmarsch zum Angriff auf Saddam 2003 hatte der Nato-Verbündete den USA erst sein Territorium angeboten. Kurzfristig verweigerte das türkische Parlament die Genehmigung, die USA mussten ihre Angriffspläne ändern.

Nun erschwere die Türkei die ohnehin schwierige Lage im Irak zusätzlich. Es gilt als Affront, dass der Nato-Partner offen mit dem Angriff auf ein Land drohe, dessen Sicherheit derzeit US-Truppen garantieren. Die PKK-Probleme im Grenzbereich seien ärgerlich, aber, erstens, nicht neu und, zweitens, keine ernste Bedrohung für die Türkei. Nach Analyse der US-Medien geht es tatsächlich um einen Konflikt zwischen dem türkischen Militär und der islamischen Regierung Erdogan, der auf dem Rücken der Menschen im Nordirak ausgetragen werde. Die türkischen Generale wollten Erdogan als „schwach“ vorführen, nachdem sie im Streit um das Präsidentenamt unterlegen waren. Unter dem nationalistischen Druck müsse Erdogan nun seine Bereitschaft zum Einmarsch im Nordirak demonstrieren, obwohl militärisch dort gegen die PKK nichts zu gewinnen sei.

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