zum Hauptinhalt

Politik: Türkische Wahl-Spezialitäten Auch Ankara entdeckt TV-Duelle – allerdings ohne die Favoriten

Selbst die einfachsten Ideen bekommen in der Türkei einen besonderen Akzent „à la turca“. So geschehen auch bei dem TV-Duell der beiden Favoriten für die Wahlen am kommenden Sonntag.

Selbst die einfachsten Ideen bekommen in der Türkei einen besonderen Akzent „à la turca“. So geschehen auch bei dem TV-Duell der beiden Favoriten für die Wahlen am kommenden Sonntag. Zwar haben sich in den Umfragen die religiös-konservative Gerechtigkeits- und Aufbruchspartei (AKP) und die sozialdemokratisch-kemalistische Republikanische Volkspartei (CHP) so weit absetzen können, dass zum ersten Mal ein Fernsehduell nach US-Vorbild veranstaltet werden konnte. Der typisch türkische Dreh bestand aber darin, dass einer der beiden Duellanten, der AKP-Chef Recep Tayyip Erdogan, überhaupt nicht Ministerpräsident werden darf. Die Kandidatur war ihm vom Wahlrat verboten worden. Seinen Kontrahenten, den streitbaren CHP-Chef Deniz Baykal, sähen dagegen selbst viele CHP-Anhänger nur ungern an der Regierungsspitze.

„Das große Treffen“ hieß das über zwei Stunden lange Live-Duell im Privatsender Kanal D, das zu später Stunde von dem prominenten Fernsehjournalisten Ugur Dündar moderiert wurde. Einige Beobachter kritisierten hinterher, es sei eher das „große Gähnen“ gewesen. Für Baykal gab es nicht viel zu gewinnen, denn das Rennen um den ersten Platz ist längst entschieden. Zwar sind Wahlprognosen in der Türkei notorisch unzuverlässig, trotzdem dürfte der Vorsprung der AKP kaum aufzuholen sein. Zwischen 28 und 35 Prozent sagen die Demoskopen der erst im vergangenen Jahr gegründeten Partei des früheren Istanbuler Oberbürgermeisters Erdogan voraus; die CHP folgt in den Umfragen weit abgeschlagen mit 13 bis 17 Prozent. Sie ist damit aber immerhin die einzige Partei, die fest mit dem Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde rechnen kann.

Von dem Fernsehduell wurde vor allem eine Antwort darauf erwartet, ob die beiden Parteien im Notfall koalieren würden. Erdogan zeigte sich deutlich aufgeschlossen, Baykal drückte sich vor einer eindeutigen Antwort. Doch am Ende waren sich alle Beobachter einig: Die Tür zu einer Koalition bleibt offen. Offen bleibt allerdings auch, wer nach dem 3. November Ministerpräsident werden soll – egal ob in einer AKP-geführten Koalitionsregierung oder in einer AKP-Alleinregierung. AKP-Chef Erdogan war auf Grund einer früheren Verurteilung für eine damals verbotene Meinungsäußerung kurzfristig von der Wahl ausgeschlossen worden. Trotz heftiger Angriffe Baykals weigerte sich Erdogan auch in der TV-Debatte, einen AKP-Politiker zu nennen, der das Amt an seiner Stelle antreten soll. Die AKP sei keine Führerpartei, sondern eine kollektiv geführte Partei, die Frage werde zu gegebener Zeit im Kollektiv entschieden, ließ er Baykal abblitzen.

Weil dieser im Verlauf der Debatte eindeutig unterlegen war, ist nach dem TV-Duell zumindest eines klarer als zuvor: Der kommende Ministerpräsident der Türkei war bei dem Zweikampf wohl nicht dabei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false