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Politik: Türkisches Eigentor

Ankara unterzeichnet die EU-Zollunion. Das Land verweigert aber Zypern weiterhin die Anerkennung

Athen Die letzte Hürde ist überwunden. Die Türkei hat ihre Zollunion mit der Europäischen Union auf deren zehn neue Mitglieder erweitert, die geteilte Insel Zypern eingeschlossen. Damit wäre der Weg frei für die Verhandlungen über einen EU-Betritt der Türken – hätte sich die Regierung in Ankara nicht noch selbst einen großen Stolperstein vor die Füße gerollt.

Ohne großen Pomp unterzeichnete der türkische EU-Botschafter am späten Freitagabend das erweiterte Zollabkommen, was faktisch einer Anerkennung Zyperns gleichkommt. Doch die Regierung in Ankara bestand in einer Erklärung zugleich darauf, dass sie den griechischen Inselteil mit ihrer Unterschrift unter das so genannte Protokoll von Ankara eben keineswegs anerkenne. Seit türkische Truppen im Jahre 1974 den Nordteil Zyperns besetzten, ist der Konflikt um die Mittelmeerinsel ungelöst.

Die zyprische Regierung in Nikosia bedauerte, dass die Türkei eine Anerkennung der Republik Zypern ausgeschlossen hat. Man werde genau untersuchen, inwiefern die türkische Erklärung „praktisch den Akt der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zunichte macht“, sagte Regierungssprecher Kypros Chryssostomidis am Samstag im Rundfunk seines Landes. „Es ist sehr traurig, dass die Türkei einen EU-Staat nicht anerkennt und gleichzeitig Mitglied der Europäischen Union werden will,“ meinte Chryssostomidis weiter. Von einem möglichen Veto der Regierung in Nikosia gegen den Beginn der Beitrittsgespräche war allerdings keine Rede.

In der türkischen Erklärung zur Unterzeichnung des erweiterten Zollabkommens heißt es: „Die Unterzeichnung, Ratifizierung und Umsetzung dieses Protokolls bedeutet in keiner Weise eine Anerkennung der Republik Zypern.“ Die Regierung von Ministerpräsident Erdogan unterstütze weiterhin die – nur von Ankara anerkannte – Türkische Republik Nordzypern und die Bemühungen der Vereinten Nationen, den Zypern-Konflikt zu lösen. Der Nordteil der Mittelmeerinsel ist seit 1974 türkisch besetzt.

Die griechische Regierung nannte die türkische Zusatzerklärung widersinnig. Nach Ansicht des Außenministeriums in Athen hat die Türkei mit der Unterzeichnung des Protokolls nur formal die Verpflichtung erfüllt, die Ankara am 17. Dezember 2004 gegenüber der EU eingegangen ist. Die Unterzeichnung des Protokolls müsse zur Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern führen, sagte Ministeriumssprecher Giorgos Koumoutsakos.

Überaus diplomatisch äußerte sich schon der zyprische Präsident Tassos Papadopoulos, als er am Donnerstag von Gesprächen mit dem britischen Premierminister Tony Blair auf seine Insel zurückkehrte. Der amtierende EU-Ratspräsidenten Blair hatte zuvor deutlich gemacht, das die Unterzeichnung des Zollabkommens nicht notwendigerweise eine Anerkennung Zyperns bedeuten müsse. Formal sind mit der Unterschrift alle Bedingungen der EU erfüllt, um mit den Türken vom 3. Oktober an über einen Beitritt zu verhandeln.

Die Regierungen in Athen und Nikosia mögen sich deshalb über eine harte Haltung der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament freuen. Deren Vorsitzender Hans-Gert Pöttering ist strikt gegen Beitrittsgespräche mit Ankara, solang Zypern nicht formal anerkannt ist. Aber Alleingänge oder gar ein Veto der Griechen oder Zyprer im Ministerrat gelten derzeit als höchst unwahrscheinlich.

Zunächst werden also Experten der 25 EU-Staaten den genauen Wortlaut der türkischen Zusatzerklärung prüfen. Möglicherweise können die Beitrittsgespräche dann wie geplant am 3. Oktober beginnen – und den türkischen Unterhändlern ganz konkrete Probleme bereiten. Denn das Verhandlungskapitel Verkehr beispielsweise kann kaum abgeschlossen werden, solange die Türkei zyprische Schiffe mit deutschen Autos an Bord am Anlegen in Istanbul hindert. dpa

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