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Der türkische Übergangspremier Ahmet Davutoglu posiert mit seinen frisch vereidigten Minister vor dem Atatürk-Mausoleum. Ayse Gürca, Mitte, ist die einzige Frau im Kabinett und die erste türkische Ministerin, die ein Kopftuch trägt.

© Umit Bektas/Reuters

Türkisches Kabinett: Erste einmal den Twitter-Account gelöscht.

Die einzige Frau im türkischen Kabinett vertritt extrem konservative Positionen - und löschte vor Amtsantritt erst einmal mutmaßliche Kraftaussagen.

Mit Ayse Gürcan als Ministerin betritt die türkische Politik gleich mehrfach Neuland – doch der Beifall von Frauenrechtlerinnen bleibt aus. Gürcan, eine 52-jährige Pädagogikprofessorin und frühere Staatssekretärin, ist die einzige Frau in der türkischen Übergangsregierung, die das Land bis zu den Neuwahlen am 1. November regieren soll. Zudem ist Gürcan die erste Geschiedene in einem Ministeramt sowie die erste Ministerin mit islamischem Kopftuch. Aber nicht darüber gibt es Streit – die Kopftuchfrage wurde bereits vor einigen Jahren mit der Freigabe des Tuchs in öffentlichen Ämtern und Institutionen beigelegt. Für Irritationen sorgen vielmehr Gürcans angeblich stockkonservative Ansichten.

Ohne Börek breche die Familie auseinander, soll Gürcan gesagt haben

Mit Leidenschaft diskutieren türkische Medien eine angebliche Aussage von Gürcan zur Rolle der Frau in Gesellschaft und Familie. Wenn eine muslimische Frau keinen Börek – eine traditionelle Blätterteigspezialität – zubereiten könne, dann breche die Familie auseinander, soll sie vor einigen Jahren geschrieben haben. Heute sagt die Ministerin dazu, sie glaube nicht, dass sie jemals diesen Heim-und- Herd-Satz von sich gegeben habe.

Mindestens ebenso brisant sind Fragen, die sich mit Gürcans Verhältnis zum Islamismus befassen. Auf Twitter verfasste die heutige Ministerin laut Presseberichten einige Kommentare, in denen sie die Türken davor warnte, den „Islamischen Staat“ (IS) zu verdammen, nur weil der Westen das wünsche. Zudem äußerte sie angeblich Unterstützung für das Prinzip „Auge um Auge“, was nicht recht zu einem modernen Rechtsstaat passt. Nachprüfen lässt sich das kaum: Als sie Ministerin wurde, löschte Gürcan ihr altes Twitter-Konto und richtete ein neues ein.

Ayse Gürcan gilt als Autorin von Erdogans Drei-Kinder-pro-Familie-Formel

Ihre Ansichten zur Familienpolitik sind den Türken aber auch ohne Twitter bekannt. Als Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan noch Premier war, arbeitete Gürcan in der Familienabteilung des Ministerpräsidentenamtes. Dort entwarf sie für Erdogan die Formel, wonach türkische Familien mindestens drei Kinder in die Welt setzen sollen, um die Gesellschaft vor Überalterung zu bewahren. Regierungskritiker sehen dies als Versuch, die Frauen an ihre althergebrachte Rolle zu fesseln.

Deshalb ist es kein Wunder, dass die neue Ministerin bei Frauenrechtlerinnen auf erhebliche Skepsis stößt. Auf Börek als Kriterium der Familienpolitik könne sie verzichten, schrieb die regierungskritische Journalistin Burcu Oral Evren.

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