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Politik: Türkisches Recht

Muharrem Erbey gilt als kurdischer Terrorhelfer – in Berlin wird er nun geehrt.

Istanbul - Seit fast drei Jahren sitzt Muharrem Erbey hinter Gittern. Der Anwalt und Chef des türkischen Menschenrechtsvereins IHD im südostanatolischen Diyarbakir soll die Kurdenrebellen von der PKK unterstützt haben und wurde deshalb im Dezember 2009 verhaftet. „Die Gefängnisse sind die Spiegel eines Landes“, hatte Erbey drei Monate vorher geschrieben. „Mit einem Blick auf die Gefängnisse eines Landes versteht man, wie es um die Demokratie dort bestellt ist.“

Wie Tausende andere Kurdenaktivisten in der Türkei, die sich derzeit vor Gericht verantworten müssen, gilt Erbey der Justiz als mutmaßlicher Terrorhelfer. Für viele in der Türkei und im Westen ist der 43-Jährige dagegen ein friedlicher Kämpfer für die Rechte der türkischen Kurden. Das Schicksal des Anwalts und Mitglieds des Schriftstellerverbands PEN wird spätestens am Freitag zu einem deutsch-türkischen Politikum. In Berlin erhält Erbey in Abwesenheit den renommierten Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreis. Und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hält die Laudatio.

In Diyarbakir, der inoffiziellen Kurdenhauptstadt der Türkei, kümmerte sich Erbey unter anderem um minderjährige Steinewerfer, die als angebliche PKK-Helfer in den Knast wanderten. Er widmete sich auch der Aufklärung von Tausenden Morden, die in den vergangenen Jahrzehnten von Mitgliedern der türkischen Sicherheitskräfte im Kurdengebiet verübt wurden und nie geahndet worden sind. Verhaftet wurde Erbey im Zuge von Ermittlungen gegen den Dachverband Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK), der von der PKK gesteuert und von der türkischen Justiz als ziviler Arm der Rebellen gesehen wird.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, besuchte Erbey in diesem Jahr demonstrativ in der Haft und kritisierte das Verfahren gegen den Anwalt. „Mit Rechtsstaatlichkeit hat das nichts zu tun“, erklärte Löning.

Der Menschenrechtspreis, der unter anderem schon an den südafrikanischen Apartheidsgegner Nelson Mandela ging, und die Rede von Leutheusser-Schnarrenberger sind weitere Zeichen der Unterstützung. Die Bundesregierung fordert Erbeys Freilassung – doch danach sieht es nicht aus. Susanne Güsten

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