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Wer sind die Neuen? Zeitungen mit der Liste des neuen Kabinetts waren am Freitag in der tunesischen Hauptstadt Tunis gefragt. Foto: Louafi Larbi/Reuters

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Politik: Tunesiens neue Gesichter

Premier Ghannouchi wechselt umstrittene Minister der alten Garde aus, bleibt aber selbst im Amt

Berlin- Einen Tag nach der Umbildung der tunesischen Übergangsregierung haben die Massenproteste in dem nordafrikanischen Land nachgelassen. Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi hatte unter dem anhaltenden Druck von Demonstrationen und Gewerkschaften führende Gefolgsleute des gestürzten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali, die Schlüsselressorts innehatten, ausgewechselt. Sie wurden durch wenig bekannte Technokraten und Unabhängige ersetzt. Er selbst blieb jedoch im Amt. Da die mächtige Gewerkschaft UGTT, die letztlich die Umbildung durchgesetzt hatte, die neue Übergangsregierung toleriert, könnten die Demonstrationen abflauen. Allerdings ging die Polizei am Abend gegen den harten Kern von Regierungsgegnern vor, die seit Tagen vor dem Amtssitz von Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi eine Sitzblockade abhalten. Dabei wurden mindestens fünf Menschen nach Augenzeugenberichten verletzt.

Die Gewerkschaft, die eine entscheidende Rolle bei den Protesten gegen Ben Ali und gegen die Übergangsregierung gespielt hatte, akzeptierte den Verbleib Ghannouchis als Ministerpräsident. Sie lehnte allerdings eine Beteiligung an der Übergangsregierung ab. Gewerkschaftschef Abdessalam Jrad bemühte sich am Donnerstag, zwischen der Regierung und Vertretern der radikalen Gegner Ghannouchis zu vermitteln.

Der Ministerpräsident hatte am Donnerstag fünf Minister in Schlüsselressorts ausgewechselt, war selbst aber im Amt geblieben. Unter anderem wurden die Minister für Äußeres, Inneres, Verteidigung und Finanzen ausgetauscht. Ghannouchi erklärte, es handle sich um eine Übergangsregierung mit dem klaren Ziel, den Wechsel zur Demokratie einzuleiten. Er werde nach den ersten freien Wahlen zurücktreten.

Mit dieser Neubesetzung könnte es dem Regierungschef gelingen, die Gemüter zu beruhigen. Seit der Bildung der Übergangsregierung am 17. Januar , drei Tage nach dem Sturz von Präsident Ben Ali, waren die landesweiten Proteste nicht abgebrochen, weil insbesondere die Minister für Verteidigung und Inneres für viele Tunesier nicht akzeptabel waren. Innenminister Ahmed Friaa war noch von Ben Ali ernannt worden in der Hoffnung, er könne die Lage beruhigen. Ihm folgt jetzt im Amt der ehemalige Staatsanwalt Farhat Rajhi. Besonders verhasst bei der Bevölkerung war Verteidigungsminister Ridha Grira, weil er als Minister für Öffentliches Eigentum Beteiligungen an Staatsunternehmen und Grundstücke aus Staatsbesitz an die Familie des gestürzten Präsidenten verscherbelt hatte. Er wurde ersetzt durch den Medizinprofessor Abdelkarim Zebidi. Als neuen Außenminister stellte Ghannouchi den Karrierediplomaten Ahmed Ounais vor, der in Frankreich studiert und Tunesien in Moskau und Neu-Delhi vertreten hat.

Auch wenn Ghannouchi seit 1999 unter Ben  Ali sein Amt inne hat, ist er keine Hassfigur, da er in der Öffentlichkeit fast keine Rolle gespielt hatte. Allerdings hatte er Zweifel an seinem Engagement für den Aufbau eines neuen Tunesien aufkommen lassen, als er zugab, mit Ex-Präsident Ben Ali in dessen Zufluchtsort Jeddah telefoniert zu haben. mit AFP

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