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Turkmenistan: Neue Qual der Wahl

In Turkmenistan bahnt sich ein kleine Revolution an. Das Volk hat bei der Präsidentenwahl am 11. Februar erstmals die Möglichkeit, zwischen mehreren Kandidaten auszuwählen.

Moskau - Sowas hatte es im stalinistischen Disneyland des Turkmenbaschi nie gegeben. Die Menschen in der mit riesigen Gasvorräten gesegneten Republik Turkmenistan haben bei der Präsidentenwahl am 11. Februar erstmals die Gelegenheit, zwischen mehreren Kandidaten auszuwählen. Beobachter warnen aber vor zu großen Hoffnungen, dass nach dem Tod des Turkmenbaschi, wie sich der Diktator Saparmurad Nijasows selbst nannte, nun ein politisches Tauwetter einsetzt. Denn einer der Kandidaten, Ex-Gesundheitsminister Gurbanguly Berdymuchammedow (49), hat im Handstreich die Macht an sich gerissen. Er duldet neben sich nur regimetreue Mitbewerber aus der dritten Reihe.

Der Turkmenbaschi, der "Vater aller Turkmenen", hatte der Ex- Sowjetrepublik in den 21 Jahren seiner Herrschaft eine ins Absurde gesteigerte Isolationspolitik aufgezwungen, die selbst die traditionell engen Beziehungen zu Moskau kappte. Nach seinem Tod im Dezember versuchen nun neben Russland auch China, der Nachbar Iran, die Türkei, die Europäische Union und die USA bei den energiereichen Turkmenen einen Fuß in die Tür zu bekommen. Dabei dürfte zu viel Kritik an den totalitären Verhältnissen im Land wenig hilfreich sein.

Nur 13 Prozent glauben an eine saubere Wahl

Die Demokratie-Kontrolleure von der europäischen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) kündigten Anfang Februar an, kein öffentliches Urteil über den Wahlverlauf zu fällen. Es bleibe zu wenig Zeit, sich ein umfassendes Bild von der Lage zu machen, lautete die Begründung. Immerhin hatte die neue turkmenische Führung die OSZE zur Wahlbeobachtung eingeladen.

Ausländische Organisationen verfügen nur über einen sehr begrenzten Zugang zur turkmenischen Gesellschaft. Die auf Zentralasien spezialisierte Menschenrechtsorganisation "Eurasian Transition Group" befragte in dem Polizeistaat heimlich mehr als 1000 Bürger nach ihrer Einstellung zur Wahl. Demnach glauben nur 13 Prozent der Befragten, dass sich der neue starke Mann Berdymuchammedow auf legale Weise das Amt des Interimspräsidenten sicherte. Ebenso wenige Turkmenen erwarten, dass ihre Stimme am Wahltag auch tatsächlich gezählt wird. In Turkmenistan zweifelt niemand daran, dass Berdymuchammedow von vorneherein als klarer Sieger feststeht.

Neuer Raum für Kritik

Zumindest zaghafte Bemühungen der neuen Staatsführung in Richtung Reformen sind zu spüren. Das Staatsfernsehen, das noch vor einigen Wochen in Endlosschleifen Lobeshymnen auf den Turkmenbaschi und dessen zur Religion erhobenen Isolationspolitik sendete, gibt nun den Menschen auch Raum für Kritik. Mancher Turkmene dürfte sich erstaunt die Augen gerieben haben, als im Wahlkampf Misswirtschaft im Agrarsektor, der Niedergang des Bildungswesens und Probleme im Gesundheitswesen angesprochen wurden.

Westliche Menschenrechtsorganisationen berichten aber auch davon, dass der gefürchtete Geheimdienst MNB nach dem Tod des Turkmenbaschi weiter mit unverminderter Härte gegen Regimegegner vorgehe. So sollen nach der Nachricht vom Tod des Turkmenbaschi politische Gefangene in einem Gefängnis bei Aschchabad ihre Freilassung gefordert haben. Die Polizei schlug den Aufruhr nach westlichen Berichten brutal nieder. 23 Menschen seien dabei ums Leben gekommen. Eine offizielle Bestätigung für den Vorfall am Todestag des Turkmenbaschi am 21. Dezember gibt es nicht.

Wie heikel der Umgang mit der neuen turkmenischen Führung sein kann, zeigt eine umstrittene Personalentscheidung des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko. Der im Westen als Reformer gefeierte Juschtschenko hatte im Januar seinen Botschafter in Wien geschasst, weil jener turkmenische Oppositionelle zu einer Konferenz nach Kiew eingeladen hatte. Der Entlassung war ein Protest der neuen Machthaber in Aschchabad vorausgegangen. Im Interessenkonflikt zwischen Menschenrechten und billigem Gas entschied sich Juschtschenko offenkundig für letzteres. Menschenrechtler fürchten, dass auch andere Länder bei Verhandlungen mit Turkmenistan dem ukrainischen Beispiel folgen werden. (Von Stefan Voß, dpa)

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