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Palin

© AFP

TV-Duell: "Zugwrack" Palin wird für McCain zur Zitterpartie

Schaufelt Sarah Palin John McCains politisches Grab? Gelegenheit dazu hat die Republikanerin im Rahmen des TV-Duells mit Barack Obamas "Running Mate“ Joe Biden. In ihren bisherigen Interviews offenbarte Palin eklatante Wissenslücken in der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Sogar konservative Amerikaner bezeichnen die Frau aus Alaska nun bereits als "Zugwrack“.

Was für einen Unterschied doch vier Wochen ausmachen können. Noch Anfang September stand der republikanische Parteitag vor Begeisterung über die neue Wunderwaffe aus Alaska Kopf, schien McCain mit der Wahl Palins als seine Nummer Zwei ein geradezu genialer Schachzug gelungen zu sein. Heute, mehrere fatale Interviews mit eklatanten Patzern später, kurz vor dem ersten und einzigen TV-Duell mit ihrem demokratischen Kontrahenten Joe Biden, sieht die Welt für Sarah Palin anders aus. In Umfragen abgerutscht, in Medienkommentaren zerrissen und in Satire-Shows lächerlich gemacht, droht die 44- jährige Gouverneurin zunehmend zur Belastung für den Spitzenkandidaten zu werden.

Schon sind erste Rufe laut geworden, Palin in die Wüste, beziehungsweise die Einsamkeit von Alaska, zurückzuschicken. So befand die konservative Kolumnistin Kathleen Parker mit Blick auf die Misere der Finanzmärkte: "Wenn BS (bullshit - Mist) eine Währung wäre, könnte Palin allein der Wall Street aus der Patsche helfen."

Die Hoffnung auf Unterhaltung

Umso größer ist die Spannung vor dem Showdown mit Biden (65). Erwartet werden Rekordeinschaltquoten, wenn die Newcomerin auf dem nationalen Parkett am Donnerstagabend (Ortszeit) in St. Louis (Missouri) auf den alten Hasen mit 35 Jahren Senatserfahrung auf dem Buckel trifft. Rekordeinschaltquoten werden erwartet, eine Rekordzahl von mehr als 3000 Journalisten hat sich vor Ort angesagt: Niemals zuvor, so sagen Experten, hat es um eine Vizekandidaten-Debatte derart viel Aufhebens gegeben wie um diese. Und zum Leidwesen der gebeutelten Palin ist es wohl nicht nur der Hunger nach Information, der diese Aufregung anfacht: Es ist auch die Hoffnung auf Unterhaltung.

Es hatte wirklich so gut angefangen für die junge Frau, die noch vor drei Jahren Bürgermeisterin einer 9000-Seelen-Gemeinde war. Die Delegierten des Parteitages lagen ihr zu Füßen, als sie sich in einer kessen Antrittsrede über Obama mokierte. Und auch später, bei Wahlkampfauftritten, jubelten ihr Abertausende zu - aber das alles meistens nach vorbereiteten Äußerungen, abgelesen vom Teleprompter. Sorgte das offensichtliche Bemühen des McCain-Lagers, Palin von Journalisten und damit spontanen Fragen abzuschirmen, rasch für Stirnrunzeln, zeigte sich dann in den wenigen gewährten Interviews der Grund dafür.

Palin kann von Alaska aus Russland sehen

Nicht nur, dass Palin ihre außenpolitische Erfahrung unter anderem damit begründete, dass man von Alaska aus Russland sehen könne. Wiederholt stolperte sie auch über Fragen nach dem US-Rettungsplan, stotterte und schwafelte, "ohne zu wissen, wovon sie redet", wie es in einem beißenden Gastkommentar der "Washington Post" hieß. Einfach "schrecklich" fand Rich Lowry vom konservativen "National Review" ihre Interview-Auftritte, Kolumnist Rod Dreher von der "Dallas Morning News" sprach von einem "Zugwrack".

Kein Wunder, dass nun erwartet wird: McCain wird während der Debatte der Schweiß auf der Stirn stehen. Denn sollte Palin stürzen, sagt das zwangsläufig viel über das Urteilsvermögen dieses Mannes, der ohnehin schon für sein oft sprunghaftes Verhalten bekannt ist. Nicht, dass die Demokraten mit Biden in St. Louis eine sichere Karte in der Hand hätten. Zwar ist an seiner außenpolitischen Erfahrung nicht zu rütteln, aber er hat auch ein loses Mundwerk, oft gehen mit ihm rhetorisch die Pferde durch. So musste er sich noch im Frühjahr bei Obama entschuldigen. Dieser sei der "erste Mainstream- Afroamerikaner, der sich gut ausdrückt, intelligent und sauber ist und gut aussieht", hatte Biden locker formuliert - und viele Schwarze waren empört.

Sorge um Bidens Wirkung auf Frauen

Eine tickende "Zeitbombe" wird Biden daher auch oft genannt, und Berater legen ihm für das Duell vor allem ans Herz: Halte dich zurück, lass Palin (sich vielleicht um Kopf und Kragen) reden, und sei um Gottes Willen nicht herablassend. Das könnte vor allem bei Frauen schlecht ankommen.

Viele Experten erwarten indessen, dass Palin sich einigermaßen wacker schlagen und damit McCain nicht wesentlich schaden wird - schon wegen des Duellformats: auf Wunsch der Republikaner ist der zeitliche Spielraum bei den jeweiligen Antworten stark gestutzt worden. Rachel Maddow vom Sender MSNBC rechnet auch schon deshalb nicht mit einem tiefen Sturz, weil die Erwartungen an Palin von vornherein gering seien: "Wenn sie sich nicht gerade auf der Bühne übergibt oder von ihr 'runterfällt, hat sie sich gut gehalten." (dpa)

Gabriele Chwallek

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